Die Monopolkommission – ein wichtiges Beratungsgremium der Bundesregierung – kritisiert die aktuell diskutierte Einführung sogenannter Network Fees und empfiehlt Zurückhaltung bei einer entsprechenden EU-Gesetzgebung. Noch bis zum 19. Mai 2023 läuft ein Konsultationsverfahren der EU-Kommission zur Frage nach einem Beitrag datenverkehrsintensiver Over-the-top-(OTT-)Anbieter zu den Netzausbaukosten der Telekommunikationsnetzbetreiber.
UPDATE 24.05.2023: Die Bundesregierung hat am 19. Mai 2023 ihre Stellungnahme zur Konsultation zur „Zukunft des Sektors der elektronischen Kommunikation und seiner Infrastruktur” eingereicht. Die Konsultation enthält u. a. Fragen zum aktuell debattierten Thema der „Network Fees”. Damit hat sich nach dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr auch die Bundesregierung offiziell positioniert. Sie zeigt sich gleichfalls kritisch gegenüber einem Beitrag datenverkehrsintensiver Over-the-top-(OTT-)Anbieter zugunsten der Telekommunikationsnetzbetreiber. Damit schließt sich die Bundesregierung dem Standpunkt der Monopolkommission an.
Eine zusätzliche Infrastrukturabgabe für OTT-Anbieter hält die Monopolkommission für ungerechtfertigt und verweist in ihrem Policy Brief auch darauf, dass die Endkund:innen der Telekommunikationsanbieter für den von ihnen verursachten Datenverkehr bereits zahlen und die Einführung von Network Fees somit zu einer Art Doppelabrechnung führen würde.
Einen Marktmissbrauch durch die OTT-Anbieter, der Anlass für eine solche Regulierung geben könnte, kann die Monopolkommission nicht erkennen: Nach wie vor seien bei den freien Verhandlungen ohne Zusammenschaltungspflichten auf den Zusammenschaltungsmärkten kaum Streitigkeiten zu beobachten. In ihrem Policy Brief verweist die Monopolkommission auch darauf, dass die Telekommunikationsanbieter wesentlich von den OTT-Anbietern profitieren: „Der Internetanschluss gewinnt für Endkundinnen und Endkunden an Attraktivität durch die Vielfalt an Diensten und Inhalten, die sie darüber erreichen können.“ Im Übrigen mangele es in Deutschland nicht an finanziellen Mitteln, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur voranzutreiben.
Das Gremium befürchtet zudem zusätzliche Belastungen für Endkund:innen bei Einführung einer Infrastrukturabgabe, da große OTT-Anbieter die Kosten, die sich aus Network Fees ergeben würden, an ihre Endkund:innen weitergeben könnten. Wettbewerbsverzerrungen könnten wiederum dadurch entstehen, dass OTT-Anbieter mit einer weniger starken Marktstellung eine solche Weiterreichung der Mehrkosten unter Umständen nicht realisieren könnten. Außerdem sei die Idee, dass Telekommunikationsanbieter mit YouTube, Meta und Co. individuell über die Höhe der Infrastrukturabgaben verhandeln, aus Sicht der Monopolkommission nicht vereinbar mit der Netzneutralität: „Im Ergebnis müssten manche OTT-Anbieter möglicherweise Netzentgelte zahlen und andere nicht.“
Zeitgleich zur Bewertung der Monopolkommission veröffentlichten 50 Organisationen aus ganz Europa eine gemeinsame Erklärung, in der sie vor der Einführung von Network Fees warnen. Digitale Rechteinhaber- und Verbraucherverbände, Internetanbieter und Medienunternehmen betonen darin, dass es keine evidenzbasierten Nachweise für die Rechtfertigung einer Datenmaut gebe. Stattdessen würden solche Entgelte ein „schwerwiegendes Wettbewerbsproblem“ auslösen: Die Rentabilitätslücke zwischen den großen Telekommunikationsanbietern und den kleineren Betreibern würde weiterwachsen und die „Verbraucherrechte, Kosten und Entscheidungsfreiheiten“ bedrohen.