01.03.2023 - Zu Gast im Ausschuss für Digitales des Bundestags hat Stefan Schnorr, Staatssekretär des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV), klar gegen die von der EU-Kommission geplante Infrastrukturabgabe für Anbieter datenintensiver Dienste Position bezogen. Die sog. Network Fees wären eine „Zwangsabgabe“, der veröffentlichte Konsultationsfragebogen „ein Stück weit tendenziös“. Fraktionsübergreifend schlossen sich die Mitglieder des Digitalausschusses der Einschätzung des BMDV an und teilten die skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber dem EU-Vorhaben.
Noch bis 19. Mai 2023 läuft die öffentliche Konsultation der EU-Kommission zu den Plänen, „Over-the-Top-Anbieter“ (OTT) über eine Infrastrukturabgabe an den Kosten für den Breitbandausbau zu beteiligen. Dabei gehe es im Fragebogen nicht so sehr darum, ob eine Beteiligung tatsächlich notwendig sei, sondern vielmehr um die Frage, wie diese Beteiligung ausgestaltet werden könne, kritisierte Schnorr im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Digitalausschusses im Bundestag am 1. März 2023. Aus Sicht des BMDV jedoch seien die Hürden für einen regulatorischen Eingriff „sehr hoch“.
Dafür müsse ein Marktversagen als notwendige Voraussetzung für eine Regulierung vorliegen, was das Digitalministerium weder in Deutschland noch in Europa erkennen könne. Auch eine Rechtsfolgenabschätzung (sog. impact assessment) sei zwingend erforderlich – vor allem mit Blick auf die Auswirkungen solcher Network Fees auf die Netzneutralität, die Medienvielfalt, die Qualität der Angebote, den Wettbewerb, die Verbraucher:innen sowie das Internetökosystem. Als Vertreter der Bundesregierung versicherte Schnorr, dass sich die Regierung für einen transparenten Prozess und eine intensive Prüfung der Kommissionspläne einsetzt, und die Frage nach der Notwendigkeit einer Infrastrukturabgabe im Rahmen der Konsultation aufgreifen werde.
Die skeptische Haltung des Digitalministeriums gegenüber den Plänen der EU-Kommission zu möglichen Network Fees wurde fraktionsübergreifend von den Abgeordneten im Digitalausschuss geteilt. Johannes Schätzle von der SPD äußerte Bedenken, dass die breite Kritik an dem Vorhaben auch Eingang in den Konsultationsprozess findet. Für die CDU/CSU-Fraktion sei vor allem wichtig, dass alle Konsequenzen einer Einführung von Network Fees unvoreingenommen abgewägt werden, so Hansjörg Durz. Die Ausschussvorsitzende Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen) bewertete das gesamte Vorgehen der EU-Kommission als „sehr befremdlich“. Sie hob die Planungs- und Rechtsunsicherheit für Medienunternehmen hervor, die Network Fees mit sich bringen würden und die durch die schwer kalkulierbare Internetnutzung der Verbraucher:innen entstehe. Außerdem hinterfragte Rößner, wie das Argument der Netzbetreiber, dass die Angebote mit großen Datenvolumen die großen Kostentreiber seien, mit den früher aktiv vermarkteten Zero-Rating-Angeboten (dienstespezifische Flatrates, die vom vertraglich vereinbarten Volumen ausgenommen wurden) der Telekommunikationsanbieter zusammenpasse. Aus Sicht des BMDV „gar nicht“, so Schnorr. Das Digitalministerium sehe zudem keine Finanzierungslücken weder beim Festnetz- noch beim Mobilfunkausbau. Vielmehr würden sich die Telekommunikationsanbieter bei der Regierung über die Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Gelder i. H. v. drei Milliarden Euro beschweren, da die Baukapazitäten bereits am Anschlag seien. Auch die FDP sieht kein Finanzierungsproblem beim Netzausbau. In ihrem Positionspapier zu Netzwerknutzungsgebühren betont die Fraktion, die wesentlichen limitierenden Faktoren für den Ausbau, insbesondere im Festnetzbereich, seien nicht finanzielle Ressourcen, sondern vor allem Baukapazitäten und langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Für die Freien Demokraten betonte Maximilian Funke-Kaiser zudem, dass primär durch Nachfrage – und damit durch die Internetnutzer:innen – der Datenverkehr erzeugt werde. Aus Sicht der FDP sei zu erwarten, dass eine Netzwerknutzungsgebühr zumindest teilweise auf die Endnutzer:innen umgelegt werden würde und damit einer doppelten Belastung für die Verbraucher:innen gleichkäme. Ähnlich sieht es das BMDV: Die Verbraucher:innen sind die Verursacher:innen der Datenströme – und zahlen bereits für die Nutzung datenintensiver Inhalte mit ihren breitbandigen Internetanschlüssen an die Netzbetreiber. „Wenn es diese Inhalte nicht gebe, würden auch die Telekommunikationsprovider kein Geld verdienen, weil nichts da wäre, was man zu den Menschen nach Hause bringen könnte“, so Schnorr. Auch Anke Domscheit-Berg von der LINKEN sieht nicht die OTT-Anbieter in der Bringschuld, sondern hält das Verursacher-Prinzip für sachgerecht.
Die von der FDP angesprochene Einführung von Network Fees für Content-Anbieter in Südkorea (2020) bezeichnete Schnorr als „krachend gescheitert“ – wegen der negativen Auswirkungen auf die Medienvielfalt. Es sei ihm auch kein Beispiel bekannt, wo eine Netzwerknutzungsgebühr sich positiv auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur ausgewirkt habe. Damit gebe es „also viele Gründe, die gegen eine Netzwerk-Nutzungsgebühr sprechen, aber immer noch keinen Grund […], der für eine solche Netzwerk-Nutzungsgebühr sprechen würde“, so Funke-Kaiser.