16.01.2023 - Mehrere Verbände der Kultur- und Kreativwirtschaft, darunter auch der VAUNET, fordern die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene gegen das Gesetzgebungsvorhaben einer Infrastrukturabgabe auszusprechen.
In einem gemeinsamen Schreiben vom 16. Januar 2023 an das Bundeskanzleramt, die Ministerien für Digitales und Wirtschaft und die Beauftragte für Kultur und Medien warnen die Unterzeichner:innen vor möglichen negativen Auswirkungen auf Verbraucher:innen und weite Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Die durch eine solche Abgabe entstehenden zusätzlichen Belastungen wären gerade vor dem Hintergrund der letzten Krisenjahre außerordentlich schädlich für weite Teile der Wertschöpfung der Branche, deren digitale Geschäftsmodelle zum Teil auf den Distributionswegen im Internet beruhen, heißt es in dem Schreiben. Die von der EU-Kommission geplante Infrastrukturabgabe würde einen dramatischen Einschnitt in funktionierende Märkte für die Verbreitung von Online-Content mit Auswirkungen auf das gesamte Internet-Ökosystem, den Wettbewerb, die Verbraucher:innen und das Prinzip der Netzneutralität bedeuten.
Das Schreiben der neun Verbände der Content-Wirtschaft finden Sie am Ende dieses Beitrags als PDF-Anhang.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
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Investitionen in Inhalte werden gefährdet
Die unterzeichnenden Branchen investieren in vielfältige Inhalte in einem Umfeld, das bereits heute um die Aufmerksamkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern kämpft. In Krisenzeiten treffen verbraucherseitige Einsparungen häufig früh die Angebote der Content-Branchen. Die hohen Investitionen, die diese in attraktive Inhalte stecken, ließen sich so kaum fortführen.
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Ein Marktversagen liegt nicht vor
Ein staatlicher Eingriff in das aktuelle Vergütungssystem für Telekommunikationsanbieter wäre nur gerechtfertigt, wenn ein Marktversagen vorliegen würde. Das ist nicht zu erkennen und wurde auch von Seiten der Telekommunikationsunternehmen bislang nicht dargelegt. Auch beim Breitbandausbau mangelt es nicht in erster Linie an Finanzmitteln, ihn hindern vielfach lange Genehmigungsverfahren und fehlende Mitnutzungsrechte an bestehender Infrastruktur.
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Doppelvergütung für Telekommunikationsunternehmen
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zahlen monatlich bereits im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Preise für den Zugang zum Internet. Eine Infrastrukturabgabe auf Anbieterseite wäre eine doppelte Vergütung, welche die Telekommunikationsanbieter für dieselbe Leistung erhielten. Betroffene Online-Dienste würden die entstandenen Mehrkosten vermutlich direkt oder indirekt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben (müssen), die damit indirekt ein zweites Mal von den Telekommunikationsanbietern zur Kasse gebeten würden.
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Grundsatz der Netzneutralität bedroht
Das Prinzip der Netzneutralität stellt sicher, dass Datenpakete diskriminierungsfrei vermittelt werden. Dieses Prinzip gilt nahezu weltweit und ist in der Europäischen Union rechtlich verankert. Eine “Datenmaut” würde die Netzneutralität jedenfalls dann gefährden, wenn ihre Erhebung und Höhe den Verhandlungen zwischen marktmächtigen TK-Unternehmen und OTT-Diensteanbietern überlassen würde. Nutzer:innen auf Anbieter- wie Rezipientenseite könnten nicht mehr sicher sein, dass Inhalte diskriminierungsfrei vermittelt werden. Ganz im Gegenteil erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass Sonderzahlungen bspw. einer großen Videoplattform nicht auch zu einer faktischen Besserstellung gegenüber den Videos z. B. kleiner Medienanbieter führen würden.
Zum Hintergrund:
Die Europäische Kommission hatte 2022 angekündigt, die Einführung einer Verpflichtung zu direkten volumenabhängigen Beiträgen von datenintensiven Online-Diensten, wie Video-On-Demand- oder Streaming-Anbietern, an Telekommunikationsunternehmen zu prüfen. Im Februar 2023 ist eine öffentliche Konsultation unter anderem zur Einführung sogenannter Network Fees geplant. Der VAUNET hatte im November 2022 ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht und damit den ersten detaillierten Debattenbeitrag aus der Medien- und Kulturbranche in der europäischen Diskussion zum „Sending-Party-Network-Pays“-Prinzip gesetzt. Darin fordert der VAUNET die Entscheidungsträger:innen auf europäischer und nationaler Ebene dazu auf, von der Einführung von Network Fees Abstand zu nehmen.