Medienpolitische Prioritäten der Länder für 2024: Interessen der privaten Medien auf der Agenda

Im Interview mit medienpolitik.net geben die Chef:innen der Staatskanzleien und Medienminister:innen der Bundesländer einen Ausblick auf ihre medienpolitischen Agenden für 2024. Dabei finden auch die Interessen der privaten Medien teils sehr deutliche Berücksichtigung in den Prioritäten der Länder.

Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beherrscht nach wie vor die medienpolitischen Agenden der Bundesländer. Zahlreiche Politiker:innen betonen darüber hinaus, die Marktbedingungen für private Medienunternehmen verbessern zu wollen. Zentrale Themen sind dabei u. a. die Reform der Filmförderung durch steuerliche Anreizmodelle, ein „Nein“ zu Werbeverboten, ein novellierter Jugendmedienschutz sowie der Schutz lokaler und regionaler Medienvielfalt.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind sich die Medienpolitiker:innen der Bundesländer einig: Es braucht dringend weitere Reformen, die den ÖRR zukunftsfest machen. Bei der Frage, wie das am besten gelingen kann, unterscheiden sich die Ansichten stark.

Während einige Länderchef:innen damit vor allem den Ausbau der digitalen Angebote des ÖRR, mehr Programmfreiheit und ein neues Modell zur Ermittlung des Finanzbedarfs (Indexverfahren) verbinden, sprechen sich andere für Beitragsstabilität aus, warnen vor einem weiteren Akzeptanz- und Vertrauensverlust des ÖRR in der Bevölkerung und fordern, auch die Belange der privaten Medien im dualen System stärker in den Blick zu nehmen.
Konkrete Vorschläge der Befürworter eines stabilen Rundfunkbeitrags reichen u. a. vom Abbau von Doppelstrukturen bei Programm, Verwaltung und Technik über die Zusammenlegung von Angeboten, eine stärkere Auftragsfokussierung und programmliche Ausgewogenheit bis zur Deckelung von Intendantengehältern und des Sportrechteetats.

Es braucht dringend Veränderung (beim ÖRR) und mit ihr Verzicht auf Altes. Ein kontinuierliches Mehr kann es nicht geben.

Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei

Bayern, Hamburg, NRW, Berlin und Sachsen ist es besonders wichtig, dass sich ARD, ZDF und Deutschlandradio stärker auf ihren Auftrag fokussieren. Rainer Robra (CDU), Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, fordert zudem, ARD und ZDF müssten sich klarer in ihren Angebotsprofilen voneinander unterscheiden. Thüringens Medienstaatssekretär Malte Krückels (Die Linke) strebt eine Deckelung des Sportrechteetats „deutlich unterhalb des heutigen Niveaus“ an, notfalls mit Hilfe des Instruments „Staatsvertrag“, da so erhebliche Einsparungen erzielt werden und Sportübertragungen ohnehin auch in privaten Programmen laufen könnten.

Beim Thema Beitragsstabilität mangelt es aus Sicht des sächsischen Medienstaatsministers Oliver Schenk (CDU) an Ehrgeiz bei den Rundfunkanstalten. Rainer Robra kritisiert ähnlich, dass es bisher an beziffer- und messbaren Sparvorschlägen der Anstalten fehle, wie sie bereits 2016 zugesagt wurden.

Die Vertreter aus Hessen, Saarland, Schleswig-Holstein und Hamburg sprechen sich für die Wiederbelebung des umstrittenen Indexmodells als Lösung für eine bedarfsgerechte Finanzierung des ÖRR aus – also eine quasi automatische Anpassung des Rundfunkbeitrages an den allgemeinen Preisanstieg.

Für Heike Raab (SPD), Medienstaatssekretärin Rheinland-Pfalz, geht es „um mehr als den Rundfunkbeitrag“. Wie einige ihrer Länderkollegen priorisiert sie den Ausbau der digitalen Angebote der Öffentlich-Rechtlichen: „Wir wollen und müssen den Grundstein legen für den digitalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Zukunft“. Das gelte vor allem auch mit Blick auf die jungen Angebote. So sollen Ki.Ka und funk stärker ausgebaut und eine gemeinsame Plattform von ARD und ZDF geschaffen werden – eine Idee, die auch in Hessen, Niedersachsen und im Saarland Anklang findet.

Bei allen Bemühungen, die öffentlich-rechtliche Säule der deutschen Medienlandschaft zu reformieren, warnen u. a. die Medienstaatssekretäre von Brandenburg, Dr. Benjamin Grimm (SPD), sowie von Baden-Württemberg, Rudi Hoogvliet (B90/Die Grünen), dass die Nöte der privaten Medien nicht aus dem Blick verloren werden dürfen. Es sei wichtig, bei Reformvorschlägen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Folgen für die duale Rundfunkordnung als Ganzes stets mitzudenken.

Die anstehenden (ÖRR-)Reformen dürfen zu keinen weiteren Belastungen für die private Seite führen.

Rudi Hoogvliet, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund

Reform der Filmförderung

Für Berlin, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen zählt die Reform der Filmförderung 2024 zu den Top-Prioritäten.

Die Chefs der Staatskanzleien in Sachsen, Bayern und NRW sprechen sich gegen festgelegte Abgaben in Form einer Investitionsverpflichtung oder kleinteilige Quoten aus, die diejenigen, die bereits in die Länderförderungen einzahlen, mit einer zusätzlichen Investitionsabgabe doppelt zur Kasse bitten würden. Befürwortet wird ein steuerliches Anreizmodell, das Planbarkeit schaffe und das deutsche Fördersystem stärke. Dabei müssten die zu erwartenden Steuerausfälle von Ländern und Kommunen kompensiert werden, so die Länderchefs.

Auch die großen privaten Medienhäuser müssen in den Blick genommen werden. Die Politik muss darauf achten, dass das Wettbewerbsumfeld, in dem sie arbeiten, auch künftig fair ausgestaltet ist.

Oliver Schenk, Oliver Schenk, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien sowie Chef der Staatskanzlei Sachsens

Bayerns Medienstaatsminister, Dr. Florian Herrmann, fordert zudem ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der TV-Sender zu legen, denn diese seien „ohnehin bereits stark reguliert“. Selbstregulierung der Branche hält er daher für eine diskussionswürdige Alternative.

Für Berlin ist klar, „dass der Filmstandort ein bedeutender Wirtschaftszweig für die Hauptstadt ist und weiterhin wettbewerbsfähig bleiben muss“, so der Chef der Senatskanzlei, Florian Graf (CDU). Es gelte, die Interessen der Branchenakteure abzuwägen – auch was die finanziellen Auswirkungen für die Länder betreffe. Darüber hinaus soll die Neuausrichtung der Berlinale mit zwei Millionen Euro gefördert werden und eine neue Kinokulturförderung mit sechs Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre an den Start gehen.

 

Jugendmedienschutz

Im ersten Halbjahr 2024 soll der Jugendmedienschutz mit dem 6. Medienänderungsstaatsvertrag effizienter und effektiver gestaltet werden. Dabei steht vor allem die Reform des technischen Jugendmedienschutzes im Vordergrund – ein medienpolitischer Schwerpunkt für die Länderchef:innen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Oliver Schenk glaubt daran, dass Deutschland mit der Novelle eine Vorbildrolle in der Europäischen Union einnehmen könnte.

 

Werbeverbote

Voraussichtlich Ende Februar 2024 plant das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, einen weiteren Entwurf für das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz vorzulegen.  Dr. Carsten Brosda (SPD), Senator für Kultur und Medien in Hamburg, sowie der bayerische Medienstaatsminister, Dr. Florian Herrmann. halten vehement gegen die Pläne des grünen Bundesernährungsministers Cem Özdemir. „Es ist wichtig, dass wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Medienunternehmen im Blick behalten.“, so Brosda im Interview. Medien seien nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern ein grundlegender Pfeiler der Demokratie. Dr. Hermann hält die Pläne Özdemirs für einen „ideologiebetriebenen und unverhältnismäßigen“ Vorschlag und einen „Angriff auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder.“

Es ist falsch, Medienunternehmen durch übertriebene Werbeverbote oder neue vermeintliche Schutzvorgaben weiter zu schwächen.

Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg

Lokale und regionale Medienvielfalt

Angesichts der aktuellen Entwicklungen gewinnt auch das Vorhaben vieler Länder, die regionale und lokale Medienvielfalt zu unterstützen, immer mehr an Bedeutung. Die Pläne reichen von Fördermitteln und -programmen für den Lokaljournalismus (u. a. in Sachsen, Brandenburg oder Schleswig-Holstein), über die Modernisierung von Landesmediengesetzen wie in Sachsen-Anhalt bis zu Aktionsplänen für Bürgermedien in Thüringen.

In Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern soll das Lokal-/Regionalfernsehen stärker unterstützt werden. In Sachsen-Anhalt soll ein modernisiertes Landesmediengesetz privaten Hörfunk- und Fernsehanbietern im Land eine Zukunftsperspektive bieten. Dazu soll die Medienanstalt in naher Zukunft private regionale und lokale Fernsehveranstalter mit der öffentlichen Aufgabe betrauen können, die bestehende Vielfalt der Meinungen durch ein vielfältiges und qualitätsvolles Nachrichten- und Informationsprogramm mit engem Regionalbezug in möglichst ausgewogener Weise zum Ausdruck zu bringen. In Nordrhein-Westfalen sollen Regionalfenster besser abgesichert und der Lokalfunk beim Einstieg in DAB+ finanziell unterstützt werden.

 

Weitere Themen: UKW/DAB+ und Medienkonzentrationsrecht

Für Dirk Schrödter gilt es auch 2024, neue Ansätze für die Novellierung des Medienkonzentrationsrechts zu finden. Denn „die Sicherung der Meinungsvielfalt stellt eine Kernaufgabe des Medienrechts dar.“ Auch in Hamburg steht die Reform des bisher noch fernsehzentrierten Medienkonzentrationsrecht auf der Agenda.

Während für Bayern Dr. Florian Herrmann plant, die Zuweisungen von UKW-Frequenzen für private Radioanbieter bis zum Jahr 2035 zu verlängern, um den privaten Medienunternehmen Planungs- und Investitionssicherheit zu bieten, ist Dirk Schrödters „Wunsch“ ein vollständig digitales Hörfunkangebot in Schleswig-Holstein ab dem nächsten Jahrzehnt. Schrödter erkennt jedoch an, dass das „nicht ohne und schon gar nicht gegen die wesentlichen Rundfunkakteure im Land“ geht.

Nur mit wirtschaftlich erfolgreichen und gesunden privaten Medienanbietern können wir die einzigartige Medienvielfalt in Bayern auch weiterhin erhalten und nachhaltig stärken.

Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei Bayerns und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien

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