28.02.2020 - Der vorgelegte Gesetzesentwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes erfüllt die Erwartungen an einen modernen, konvergenten Jugendmedienschutz durch bessere „Verzahnung“ zwischen Bundes- und Landesrecht aus VAUNET-Sicht nicht.
Der wirksame Schutz von Kindern vor beeinträchtigenden Inhalten ist ein Ziel, zu dessen Erreichung sich die 150 Mitgliedsunternehmen des VAUNET aus den Bereichen Fernsehen, Radio und Telemedien mit ihren jeweiligen Internetangeboten tagtäglich verpflichtet sehen. Bereits 2012 hatte sich der VAUNET (ehemals VPRT) gemeinsam mit weiteren Wirtschaftsverbänden, Bund und Ländern in der Charta „Sicher Online gehen – Kinderschutz im Internet“ zu diesem Anliegen bekannt. Die zentrale Idee der vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) initiierten Charta war, dass eine Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes in den Onlinemedien nur gelingen kann, wenn Bund, Länder und Wirtschaft gemeinsam handeln. Diese Prämisse hat bis heute nicht an Relevanz verloren. Der Schutz von Heranwachsenden kann umso besser gelingen, je enger die gesetzlichen Rechtsnormen von Bund und Ländern ineinandergreifen.
Unverständlicher ist es daher, dass bisher kein Rückgriff auf die Expertise der Medienanbieter, beispielsweise im Rahmen eines dialogischen Verfahrens, stattgefunden hat. Der vorgelegte Gesetzesentwurf erfüllt die Erwartungen an einen modernen, konvergenten Jugendmedienschutz durch bessere „Verzahnung“ zwischen Bundes- und Landesrecht aus VAUNET-Sicht nicht. Er sollte in dieser Form nicht verabschiedet werden.
Insbesondere das 2016 in der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz verabredete Konzept, beiderseitig möglichst mit einheitlichen Begriffen und offenen Verfahren zu agieren, wird nur unzureichend verfolgt. Die heutige, von Konvergenz und Geschwindigkeit geprägte Medienwelt, benötigt flexible Instrumente sowohl in der Altersbewertung als auch bei den Schutzmechanismen. Dafür bedarf es eines geeigneten gesetzlichen Rahmens und nicht einer Eins-zu-Eins-Übernahme der Logik der Trägermedienregulierung auf die differenzierte Landschaft der Onlinemedien.
Darüber hinaus wären mit dem Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form erhebliche personelle und finanzielle Auswirkungen für die Unternehmen verbunden. Bei den VAUNET-Mitgliedern würden, ausgehend vom jetzigen Umfang ihres Telemedienangebots, voraussichtlich Mindestkosten eines mittleren bis hohen einstelligen Millionen Euro-Betrages anfallen. Die im Referentenentwurf vorgenommene Schätzung des Erfüllungsaufwandes für die Wirtschaft insgesamt (S. 33 f JuSchG-RefE) betrachtet der VAUNET als zu niedrig angesetzt. Zudem sind weitergehende seriöse Kostenprognosen angesichts vieler unklarer Regelungen und offener Fragen zum Referentenentwurf derzeit nicht möglich.
Der VAUNET äußert sich in seiner Stellungnahme zu den folgenden fünf Themengebieten des vorliegenden Referentenentwurfes:
- Übertragung der Regeln für „Trägermedien“ auf „Telemedien“
- Klassifizierungs- und Kennzeichnungsregeln
- Prüfungs- und Nachweispflichten für Telemedien
- Vorsorgemaßnahmen für Kommunikations- und Konsumrisiken
- Neues Aufsichtsgremium.
Die zwei Regulierungsbereiche eines modernen Jugendmedienschutzes: Gesetz und Selbstverpflichtung
Nach Auffassung der VAUNET-Mitglieder gliedert sich der Jugendmedienschutz in zwei Regulierungsbereiche – eine gesetzliche und eine Selbstverpflichtungsebene – und darin in drei Kernelemente.
- In einem ersten Schritt bedarf es der Analyse, ob von einem Medieninhalt eine Gefährdung ausgehen könnte: eine Gefährdung für Jedermann (z. B. Volksverhetzung) oder nur von bestimmten Altersgruppen, wie Heranwachsende. Das vom Medieninhalt ausgehende ermittelte Gefährdungspotential bleibt, solange sich der Inhalt nicht ändert, gleich, unabhängig, über welche Vertriebswege er publiziert wird. Der Prozess muss fachlich fundiert, flexibel, unbürokratisch und rechtssicher erfolgen. Es liegt letztlich im Interesse der Mediennutzer und der Medienanbieter, dass die Einschätzung sachlich richtig, aber dennoch so schnell wie möglich erfolgen kann. Die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Gefährdungsanalyse muss sich daher an die sich fortlaufend ändernde, konvergenter werdende publizistische Praxis anpassen.
- Liegt danach ein Ergebnis der Gefahrenbewertung vor, müssen im zweiten Schritt entsprechende wirksame Maßnahmen zum Schutz der Mediennutzer ergriffen werden. Auch hier ist in der Gesetzgebung zu berücksichtigen, dass die Schutzmaßnahmen den Interessen der Medienanbieter, der (heranwachsenden) Mediennutzer und der Erziehungsberechtigten gerecht werden. Der Gesetzgeber sollte in diesem Stadium vertriebswegspezifisch agieren, da auf Grund verschiedener Medientechnologien und Geschäftsmodelle bestimmte Schutzkonzepte für den einen Vertriebsweg effizient und umsetzbar sind (z.B. Jugendschutzfilter bei Telemedien), für andere wiederum nicht.
- Als drittes Element ergänzen Maßnahmen zur Medienkompetenzförderung, wie Bildung und Information, den präventiven Jugendmedienschutz. Die Mitglieder des VAUNET leisten auf diesem Feld zusammen mit ihren Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen) bereits einen umfassenden, über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Beitrag sowohl gegenüber Heranwachsenden als auch Erwachsenen. Die Selbstkontrolleinrichtungen bieten zahlreiche Bildungsveranstaltungen und Informationsmaterialien an, geben Fachliteratur heraus und fördern den medienpädagogischen Nachwuchs, z. B. mit dem Medius-Award. Die VAUNET-Mitgliedsunternehmen tragen neben den Selbstkontrolleinrichtungen viele weitere gemeinnützige Projekte des Kinder- und Jugendmedienschutzes: z. B. im Bereich Medienkompetenzförderung den Media Smart e.V., im Bereich Positiv-Content-Plattformen den fragFINN e.V. oder im Bereich technischer Jugendmedienschutz den JusProg e.V. Darüber hinaus stellen die VAUNET-Mitglieder für Kinderschutzkampagnen Medialeistungen ihrer Medienangebote zur Verfügung.