VAUNET-Live-Podcast auf den MTM: Erhard Grundl im Doppelinterview mit Dr. Nina Gerhardt

Wie sieht die Zukunft des Privatradios in Deutschland aus: Welche Verbreitungswege brauchen wir? Was ist von den Verbotsplänen des Bundesernährungsministers für Lebensmittelwerbung zu halten? Und wie stellen wir wieder Balance im dualen Mediensystem her? Darüber diskutierten der medienpolitische Sprecher der GRÜNEN Bundestagsfraktion, Erhard Grundl, und die stellvertretende Vorsitzende des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VAUNET und CEO von RTL Radio Deutschland, Dr. Nina Gerhardt, beim VAUNET-Live-Podcast „Radio.trifft.Politik“ auf den Medientagen München 2023 mit Podcast-Host José Narciandi, Leiter des RADIO NRW-Landtagsstudios Düsseldorf.

Gleich zu Beginn betonte Grundl den hohen Stellenwert des Privatradios in Deutschland: „Das private Radio trägt zu einer vielfältigen Medienlandschaft bei.“ Für ihn sei es essenziell, diese Vielfalt zu erhalten. Die hohe Relevanz wird laut Dr. Gerhardt auch durch die Nutzungszahlen belegt, über 90 Prozent der Über-14-Jährigen in Deutschland hören 2023 Radio. „Radio ist ein Massenmedium und erreicht lokal, regional und bundesweit praktisch jeden Menschen in Deutschland.“ Gerade lokal überzeugten die privaten Radioangebote eine Vielzahl von Hörer:innen mit ihrem Mix aus relevanten Inhalten, Veranstaltungen und Unterhaltung.

Unvermindert wichtig bleibt dabei die analoge terrestrische Verbreitung von Radio via UKW. In 88 Prozent aller Haushalte gibt es ein UKW-Radio. Aufgrund der ungebrochen hohen Relevanz bleibt UKW elementar für die Refinanzierung des Privatradios über alle Verbreitungswege hinweg. Mit den Erlösen aus der UKW-Verbreitung finanzieren die Privaten auch ihre Aktivitäten in digitalen Innovationsfeldern wie Webradio, Digitalradio oder Audio-on-Demand.

In diesem Zusammenhang begrüßte Dr. Gerhardt ausdrücklich die am Veranstaltungstag im Koalitionsvertrag der neuen Bayerischen Staatsregierung festgeschriebene Verlängerung der bestehenden UKW-Frequenzen bis mindestens 2035. Danach soll es erst dann eine Abschaltung von UKW geben, wenn die wirtschaftliche Tragfähigkeit der privaten Radiobranche dies zulässt.

Grundl bewertete die Entscheidung der bayerischen Regierung grundsätzlich ebenfalls positiv. „Allerdings hätte ich mir eine schärfere Formulierung gewünscht. Das ‚Schauen wir mal, was 2035 ist‘ hätte man sich schenken können. Denn ein festgelegtes Datum motiviert auch zum Umstieg“, so der GRÜNEN-Politiker.

Dieser Bewertung wollte sich Dr. Gerhardt nicht anschließen: „Wir können heute noch nicht wissen, über welche Ausspielungswege 2035 Radio genutzt wird. Man muss aus der Marktsituation heraus entscheiden. Nur wenn beide Wege parallel möglich sind – UKW und DAB+ – kann das Privatradio seine Relevanz erhalten.“

VAUNET-Live-Podcast auf den Medientagen München 2023
© K. Biehn

Refinanzierung und Werberegulierung

Auch bei den Medientagen sorgten die weitreichenden Werbeverbotspläne für Lebensmittel des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, für Diskussionsstoff – wenngleich Erhard Grundl mehrmals darauf hinwies, dass sich seine Partei derzeit in einem „Aushandlungsprozess“ befinde.

Dr. Gerhardt warnte vor den Gefahren des potenziellen Verbots: „Wir sind auf die Monetarisierung unserer Reichweiten angewiesen.“ Der wirtschaftliche Schaden wäre enorm: etwa 80 Prozent der Lebensmittelwerbung wären potenziell betroffen, und diese nehmen 25-30 Prozent der Werbefläche ein. Darüber hinaus bezweifelte sie, „ob das Werbeverbot wirklich den gewünschten Effekt erzielen würde.“

Erhard Grundl erkannte die Problematik an und versicherte, dass seine Partei sich des Wertes der privaten Medien bewusst sei: „Ich gebe Ihnen in Teilen Recht. Es kann nicht sein, dass die Werbung in die sozialen Medien zu Influencern verlagert wird. Ich erkenne hier Handlungsbedarf.“

VAUNET-Live-Podcast auf den Medientagen München 2023
© H. Münch

Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Auch die Wettbewerbssituation im dualen Mediensystem war ein wichtiges Thema des Gesprächs. „Im Radio ist das Ungleichgewicht zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern im Angebotsumfang und dem Finanzierungsrahmen besonders stark ausgeprägt“, so Dr. Gerhardt. „Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss geschärft werden. Wir müssen wieder zu einem Gleichgewicht kommen.“

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dringe zunehmend in die Kernmärkte des Privatradios ein, vor allem im regionalen und digitalen Bereich. Dabei testeten die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Grenzen zum Kommerziellen immer weiter aus, beispielsweise durch die Vermarktung von Audio-Inhalten auf Drittplattformen. „Das sollte nicht passieren“, stimmte Grundl zu. Den Werbeumfang in den ARD-Hörfunkwellen sieht er jedoch nicht kritisch – auch mit Blick auf die Beitragsstabilität.

Grundl mahnte, „Parallelstrukturen bei den Öffentlich-Rechtlichen dürfen sich nicht unbegrenzt ausdehnen.“ Aber: „Wir haben ein fest austariertes System mit Öffentlich-Rechtlichen und Privatsendern. Für mich ist das Entscheidende, dass hier unsere Gesellschaft in ihrer Vielfalt abgebildet wird.“ Dies sei gerade mit Blick auf europäische Länder, die die Medienlandschaft einschränken, wichtig. „Die Refinanzierungsgrundlage bei den Privatsendern muss erhalten bleiben, ebenso wie die Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

„Hier liegen wir gar nicht so weit auseinander“, stellte Dr. Gerhardt fest. „Das duale System ist wie korrespondierende Röhren, sie müssen im Gleichgewicht sein. Wir müssen einen Weg finden, wie wir auf Augenhöhe existieren können.“

© VAUNET

„Radio.trifft.Politik – Der VAUNET-Podcast zur Audio-Zukunft“

 

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Zum VAUNET-Podcast

Der Vorstand des VAUNET hat den Podcast „Radio.trifft.Politik“ gelauncht, um den Austausch zwischen Politik und Medienbranche zu zentralen Zukunftsthemen und den Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die Branche zu stärken. José Narciandi, Leiter des Landtagsstudios Düsseldorf von RADIO NRW, spricht dabei mit politischen Entscheider:innen für die Radiobranche. Zu den bisherigen Gästen zählen Heike Raab, Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien sowie Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, Dirk Schrödter, Minister und Chef der Staatskanzlei in der Landesregierung Schleswig-Holstein, BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege und Dr. Nina Gerhardt. CEO RTL Radio Deutschland und stv. Vorsitzende des Fachbereichs Radio und Audiodienste des VAUNET, sowie MdB Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

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