Europäisches Medienfreiheitsgesetz: Ambitionierter Balanceakt mit unklaren Folgen für private Medien

Berlin, 20. Dezember 2023 - Am 15. Dezember haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union eine vorläufige politische Einigung über den European Media Freedom Act (EMFA) erzielt.

Der VAUNET teilt die wichtigen Ziele des EMFA, vielfältige staatsferne und unabhängige Medien in Europa zu befördern. Dass Unabhängigkeit und Pluralismus der Medien sowie Schutz von Journalist:innen nicht in allen europäischen Mitgliedstaaten eine Selbstverständlichkeit sind, war Ausgangsüberlegung und Ansatzpunkt des EMFA. Gleichzeitig bringt das Medienfreiheitsgesetz Abgrenzungsprobleme zur nationalen Vielfaltssicherung, auf die auch der Bundesrat hingewiesen hat, sowie unklare Auswirkungen auf den Medienmarkt mit sich.

Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender des VAUNET und Chief Corporate Affairs Officer bei RTL Deutschland: „Der EMFA ist ein ambitionierter Balanceakt mit der guten Intention, die Vielfalt der Medien und ihre journalistische Unabhängigkeit zu schützen. Doch in seiner Multifunktionalität führt er eine weitere Schicht der Medienregulierung ein – auch für Märkte, auf denen es kein Vielfaltsdefizit gibt. Fraglich ist aus unserer Sicht, ob bei den erzielten Einigungen die mannigfaltig und deutlich geäußerten Bedenken der Branche hinreichend berücksichtigt werden konnten. Gerade aus deutscher Sicht gilt deshalb: Für die funktionierende duale Medienordnung muss sich ein möglicher Mehrwert des EMFA erst noch beweisen.“ Wichtig sei im weiteren Prozess, in dem noch entscheidende Erwägungsgründe zu formulieren sind, dass diese die gefundenen Wertungen der schon politisch konsentierten Artikel nicht umkehren und insbesondere die Rechte der Mediendiensteanbieter wahren.

Vor allem dank des Einsatzes des Europäischen Parlaments konnten zumindest ein paar Verbesserungen im EMFA erzielt werden, indem Big-Tech-Plattformen stärker in den Blick genommen wurden, z. B.:

  • durch die zeitgemäße Einbeziehung von Big-Tech-Plattformen bei der Bewertung von Konzentrationen auf den Medienmärkten (Art. 21 EMFA)
  • sowie bei der Reichweiten-Messung (Art. 23 EMFA)
  • indem für eine bessere Sichtbarkeit von Audio- und audiovisuellen Medien auf Endgeräten und Benutzeroberflächen gesorgt wurde (Art. 19 EMFA). Insbesondere für Radio wäre eine deutlichere Auffindbarkeitsabsicherung wünschenswert gewesen, da es erstmals einer übergreifenden europäischen Medienregulierung unterzogen wird.

Gleichzeitig schafft das Medienfreiheitsgesetz Unwägbarkeiten, beispielweise:

  • im Verhältnis zum nationalen Recht (wie bei der Schaffung von Doppelstrukturen beim Medienmarktkonzentrationsrecht).
  • durch eine verfestigte Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wettbewerb zu den privaten Medien (Art. 5 EMFA).
  • indem kommerzielle, marktmächtige Big-Tech-Plattformen trotz verfahrensrechtlicher Absicherungen eine stärkere Kontrolle über journalistisch-redaktionelle Inhalte ausüben können (Art. 17 EMFA).
  • durch eine noch nicht hinreichend klar geregelte Unabhängigkeit des neuen Board for Media Services von der Europäischen Kommission.

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