Berlin, 8. September 2023 - Für eine funktionierende Filmwirtschaft mit mehr Planungssicherheit sollten Förderinstrumente angepasst und steuerliche Anreizmodelle geschaffen werden. Zusätzliche Belastungen wie in Form neuer Investitionsverpflichtungen gefährden den Wettbewerb.
Ja! zu einem wettbewerbsfähigen Anreiz-Modell, Nein! zu Investitionsverpflichtungen und/oder einem zwingenden Rechterückbehalt
Wesentlicher Baustein einer großen Förderreform ist die Einführung eines (steuerlichen) Anreizmodells für die Film- und Fernsehbranche, die zunehmenden wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt ist. So ist ein steueranreizbasierter Ansatz rechtlich möglich, ökonomisch nachhaltig und ein international anerkannter Weg, Deutschland als attraktiven, stabilen und planungssicheren Produktionsstandort zu etablieren. Wir sind überzeugt, dass die mit dem Modellwechsel verbundenen ungedeckelten wirtschaftlichen Anreize neue Investitionen in den Produktionsmarkt hebeln werden – und zwar deutschlandweit (Bitkom-Studie). Lösungen für die Sicherstellung einer Zwischenfinanzierung von Produktionen sind laut des BKM-Gutachtens zum Steueranreizmodell vorhanden. Die positiven Effekte werden der gesamten Branche zugutekommen. Sie verdienen eine Chance, sich ohne einschränkende Verpflichtungen entfalten zu können.
Anders als ein Steueranreizmodell sind TV- und VoD-Anbietern auferlegte Investitionsverpflichtungen nicht geeignet, Produktionen ins Inland zu holen und damit Deutschland im Wettbewerb der Produktionsstandorte interessanter zu machen. Tatsächlich wächst die Besorgnis, dass Investitionsverpflichtungen zu einer Kosteninflation auf dem lokalen Markt führen (International Center for Law & Economics). Die europarechtlich gewährte Dienstleistungsfreiheit verhindert die Verknüpfung mit einer Vorgabe zum Produktionsort, so dass „Europäische Werke“ auch in benachbarten Ländern produziert werden können. Die Investitionsverpflichtungen wären damit erfüllt, ohne dass der Standort Deutschland davon profitiert. Steueranreizmodelle hingegen gewährleisten, dass im Inland produziert wird.
Investitionsverpflichtungen stellen einen dirigistischen Eingriff in den Markt dar, für dessen Notwendigkeit es bis heute an der ökonomischen Evidenz fehlt. Ihnen begegnen durchgreifende europa-, verfassungs- und kompetenzrechtliche Bedenken, weshalb wir sie im Ergebnis ablehnen.
Subquoten für deutschsprachige Werke, unabhängige Produzenten und ein Auftragsanteil für Kinofilme wären darüber hinaus ein zusätzlicher Eingriff, der die Bestimmungsbefugnis der Verpflichteten über ihre Investitionen vollkommen unverhältnismäßig einengt. Da schon der Ausgangstatbestand der Investitionsverpflichtung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann, gilt dies umso mehr für eine inhaltliche Verschärfung in Form von Quoten für spezifische Angebotssektionen.
Eine Investitionsverpflichtung ist zudem ihrerseits maximal konjunkturabhängig und somit untauglich, bei wirtschaftlich schwieriger Ausgangslage der zu Verpflichtenden die gewünschten Auswirkungen für den Sektor zu erzeugen. Sie sind für einen wettbewerbsfähigen Produktionsstandort sogar kontraproduktiv, wenn die Unternehmen die Wahlfreiheit verlieren, Investitionen in für sie bedeutsame strategische Felder und Innovationen einzusetzen. Unternehmen benötigen ein investitionsfreundliches Klima, um flexibel auf die sich schnell ändernden Marktbedingungen und Verbraucherbedürfnisse reagieren zu können. Nur so werden die politisch erwünschten Ziele von Standort-, Arbeitsplatz- und Medienvielfaltssicherung erreicht.
In einem umkämpften Markt, wie insbesondere dem Streaming-Markt mit teils noch jungen Playern, die Millionenbeträge für Marketingkampagnen zur Gewinnung von Abonnent:innen und die Produktion lokaler Inhalte ausgeben, stellt auch der intensive Wettbewerb sicher, dass investiert wird, wenn es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zulassen.
Im Übrigen orientieren sich private Fernseh- und VoD-Anbieter mit ihren Inhalten wesentlich an der Nachfrage der Zuschauer:innen und Nutzer:innen. Gesetzliche Vorgaben, die eine Produktion von Inhalten vorbei am Publikumsinteresse riskieren, belasten am Ende das ohnehin derzeit schon durch die hohe Inflation strapazierte Budget der Verbraucher:innen, wenn die durch Investitionsverpflichtungen verursachten Mehrkosten auf diese umgelegt würden.
Der VAUNET weist die Annahme, eine die bisherigen Förderinstrumente ersetzende (steuerliche) Anreizlösung müsse mit einer „Gegenleistung“ in Form von Verpflichtungen zu Investitionen und/oder einem zwingenden Rechterückbehalt verbunden werden, zurück. Die Kosten der Produktionen, die nicht von der Förderzulage gedeckt werden, sind eben die Investitionen der Auftraggeber, die damit ihren Beitrag leisten.
Rechteumfang und Nutzungszeiträume stehen bei den von privaten Anbietern (mit-)finanzierten Produktionen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem jeweiligen Finanzierungs- und Risikoanteil. Hier gibt es bereits funktionierende und flexible Modelle unter dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Buy-Out-Verträge sind nur eines von vielen Vertragskonstrukten, die – neben anderen Vertragskonstellationen -für das Funktionieren des Marktes wichtig sind.
Keine Erhöhung der Abgabenlast für TV- und VoD-Anbieter, Beibehaltung Medialeistungen
Im Zuge des FFG 2025 spricht sich der VAUNET maximal für eine Beibehaltung der Höhe des Abgabemaßstabes aus.
Die VAUNET-Mitgliedsunternehmen erbringen einen entscheidenden Beitrag zur Filmförderung durch die Leistung der Filmabgabe an die Filmförderungsanstalt (FFA) und die freiwillige Einzahlung in die Länderförderung, was in Summe einen spürbaren zweistelligen Millionenbetrag ausmacht (FFA-Geschäftsbericht 2022). Insgesamt investieren private Sender und VoD-Anbieter jährlich in Milliardenhöhe in Inhalte, davon einen fast dreistelligen Millionenbetrag direkt in Kinofilme.
Gleichermaßen plädiert der VAUNET für die Aufrechterhaltung der in § 157 FFG geregelten Ersetzungsbefugnis durch Medialeistungen, die ein wesentlicher Baustein des austarierten horizontalen FFG-Abgabesystems sind. Der von FFA und HDF im April 2023 veröffentlichte Gesamtbericht „All Eyes On Audiences – Zielgruppen und Potenzialanalyse für den deutschen Kinomarkt“ unterstreicht erneut die Rolle und den Bedarf der Medien für eine höhere Präsenz von Kinofilmen, insbesondere in Form von Fernsehwerbung als gezielte Aufmerksamkeitsquelle für das Kino.
Eine weitere Belastung, egal ob im Rahmen des FFG oder in anderen Bereichen, lehnt der VAUNET strikt ab. Veränderungen an einer Stelle führen in einer Gesamtschau dazu, dass freiwillige Investitionen der Unternehmen an anderer Stelle auf den Prüfstand gestellt werden.
Flexibilisierung der Sperrfristen
Die Branche hat im Mai 2023 eine Vereinbarung getroffen, die die Auswertung von FFA-geförderten deutschen Kinofilmen abweichend von den bisherigen gesetzlichen Vorgaben ermöglicht. Eine (weitere) Flexibilisierung der Sperrfristen – unter Aufrechterhaltung eines exklusiven Kinofensters – war und ist auch vor dem Hintergrund der internationalen Wettbewerbsfähigkeit geboten. Dem Vernehmen nach prüft das BKM unter Berücksichtigung aller beteiligten Branchenakteure und ihren Finanzierungsmodellen, ob es überhaupt noch allgemeingültiger Auswertungsstufen und Abreden bedarf oder ob die Auswertung einzelner Filmprojekte nicht stärker in die Hände der jeweiligen Beteiligten gelegt werden sollte (39. Sitzung des Bundestagsausschusses für Kultur & Medien).
Neustrukturierung zw. Bund-, Länder- und FFA-Förderung für erfolgreichere Filme
Aus unserer Sicht sollte die Zusammenarbeit zwischen den Förderinstitutionen dazu führen, dass weniger und dafür besser ausgestattete Filme produziert werden. Wir begrüßen die aktuellen Bemühungen sehr, die Bundes- und Länderförderungen besser abzustimmen. Eine Mindestförderquote befürworten wir und sehen wirtschaftliche und ökologische Vorteile darin, den Fördertourismus hierdurch zu reduzieren. Auch eine Angleichung der Förderregularien wird den Verwaltungsaufwand der Produktionen minimieren und die Unternehmen entlasten. Eine wie beim German Motion Picture Fund (GMPF) aktuell bestehende unterschiedliche Herangehensweise für TV-Sender bei der Herstellung von Serien und dadurch entstehende Finanzierungslücken, die durch weitere Finanzierungsbestandteile, wie z. B. Länderförderungen, für eine Durchfinanzierung von Projekten geschlossen werden müssen, sollte es künftig nicht mehr geben.
Umbau der FFA in eine effiziente Filmagentur
Ein möglicher Umbau der Filmförderungsanstalt (FFA) hin zu einer „Filmagentur“ muss gleichermaßen den öffentlich verlautbarten Grundsätzen der BKM „schneller, effizienter, planungssicherer“ gerecht werden. Überlegungen zur Einführung automatisierter Prozesse im Bereich der wirtschaftlichen Förderung sind dabei grundsätzlich zu begrüßen. So gewonnene Effizienzen dürfen allerdings keine neuerliche Ausweitung der Kompetenzen und (Selbst-)Verwaltung der FFA und ihrer Gremien an anderer Stelle begründen, zumal, wenn damit ein finanzieller Mehrbedarf einherginge.
Eine Filmagentur sollte sich künftig noch stärker einer der gesamten Filmwirtschaft gerecht werdenden und evidenzbasierten Research-Analyse verschreiben. Diese Filmagentur sollte sich dabei auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben konzentrieren und nur optional daneben Aufträge für die Privatwirtschaft übernehmen, wenn sie konkret beauftragt wird. Erst, wenn eine Marktanalyse erfolgt ist, die die Situation aller Player auf dem Markt in den Blick nimmt und dabei auch die Auswirkungen der geplanten Anreizförderungen einbezieht, wäre eine ausreichende Faktengrundlage vorhanden, auf deren Basis weiter diskutiert werden könnte.
Mehr Nachhaltigkeit
Private Medienanbieter stehen für Vielfalt und unterstützen Maßnahmen, um diese vor und hinter der Kamera zu gewährleisten. Sie müssen aber auch immer in einem internationalen Kontext und unter dem Gesichtspunkt einer Vereinheitlichung gesehen werden, damit sich Unternehmen mit Angeboten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten an denselben Standards ausrichten können. Das ist eine wichtige Voraussetzung für internationale Produktionen.
In den Bereichen Diversity & Geschlechtergerechtigkeit sollten positive Entwicklungen durch ein Incentive-Modell zusätzlich gefördert werden, statt eingriffsintensive regulative Vorgaben zu machen. Beim Thema Nachhaltigkeit, wo es bereits zwingende Förderkriterien gibt, sollte über ein ergänzendes Bonus-Modell nachgedacht werden, um Weiterentwicklungen zu belohnen.
Das Thema Fachkräftemangel wurde bereits von den TV- und VoD-Anbietern mit einer eigenen Auftraggeber-Initiative praxisnah adressiert. Wir plädieren dafür, im Dialog mit der Branche Lösungswege zu erarbeiten, die sich mit dem Produktionsalltag vereinbaren und durch Selbstverpflichtungen umsetzen lassen.