Tauziehen mit Big-Tech & ÖRR: Für fairen Wettbewerb auf digitalen (Werbe-)Märkten

01.09.2023 - Die privaten Medienunternehmen müssen ihre Rolle in einem höchst wettbewerbsintensiven Markt behaupten – im Spannungsverhältnis zwischen immer weiter expandierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und globalen Big-Tech-Plattformen.

Auf der einen Seite ist der Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar „geübt“ und seit Jahren geprägt von einer sich verstärkenden Schieflage im dualen Mediensystem. Ihre stabile und marktunabhängige Beitragsfinanzierung ist per se ein Wettbewerbsvorteil für die Anstalten, insbesondere in den gegenwärtigen Krisenzeiten und einer anhaltend angespannten Wirtschaftslage. Und dennoch wird die Grenze zum Kommerziellen aus VAUNET-Sicht immer weiter ausgetestet.

Auf der anderen Seite dominieren die Big-Tech-Plattformen (Google, Amazon, Meta, Apple, Microsoft) die globalen Medien- und Werbemärkte. Sie erheben innerhalb ihrer Ökosysteme ungehindert Daten und weiten ihre Marktmacht und Geschäftsmodelle – teils unter dem Deckmantel des Datenschutzes – mehr und mehr aus. Ihr technologischer Vorsprung beim Auf- und Ausbau datenbasierter Geschäftsmodelle und beim Thema Künstliche Intelligenz, eine über viele Jahre unzureichende Regulierung, und die enge Verzahnung verschiedener Dienste in abgeschotteten Ökosystemen machten den Weg frei für eine monopolistische Plattformökonomie auf europäischer und internationaler Ebene.

Klare Grenzen für Online-Expansion und kommerzielle Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichern Balance im dualen System.

Onlineangebote – sei es „online-first“, sei es „online-only“ oder sendungsbegleitend – sowie zielgruppenspezifische Angebote werden ungebremst ausgebaut. Dabei lässt die digitale Expansion der Rundfunkanstalten das Mengengerüst erodieren, statt für eine quantitative Begrenzung öffentlich-rechtlicher Angebote zu sorgen. Gleichzeitig intensivieren die Rundfunkanstalten bzw. ihre Tochterunternehmen ihre kommerziellen Aktivitäten, indem sie mit einem B2C-Angebot als eigenständige Publisher auftreten und produzierte Inhalte vermarkten, teilweise parallel zum öffentlich-rechtlichen Angebot der Rundfunkanstalten. Beispiele hierfür sind die auf Drittplattformen mit Werbe-Pre-Rolls versehenen Podcasts der rbb Media, das kostenpflichtige Streaming-Angebot ARD Plus zu 4,99 Euro im Monat mit u. a. vorher beitragsfinanzierten Inhalten, oder die YouTube-Kanäle „Telenovela ZDF“, „Herzfrequenz“, „KultKrimi“ und „Pasch Deutsch“ von einer Tochtergesellschaft der ZDF Enterprises, ebenfalls mit integrierten Pre-Rolls. Die neu geschaffene Flexibilisierung über den dritten Medienänderungsstaatsvertrag zugunsten der Anstalten und Gremien erhöht zudem die Planungsunsicherheit für die Privaten, wenn die Anstalten im eigenen Ermessen gewisse lineare Programme einstellen und nonlinear anbieten können.

Bei der Reform der Öffentlich-Rechtlichen setzt der VAUNET deshalb drei große Schwerpunkte: Erstens muss es einen stärkeren Schwerpunkt auf Information, Bildung und Kultur in den Hauptnutzungszeiten geben, sowohl in der Primetime Fernsehen, in der Drive-Time für Radio, als auch auf der ersten Auswahlebene der eigenen Portale. Zweitens braucht es ein klar umrissenes Portfolio für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, vor allem im Bereich Audio, wo Doppelungen zahlreicher ARD-Kanäle und unzähliger Web- und Social-Media-Angebote reduziert werden müssen. Der dritte große Schwerpunkt ist der Bereich Werbung, Sponsoring und kommerzielle Aktivitäten: Es braucht werbe- und sponsoringfreie Programme im TV sowie auch im Radio, wo die Werbung zunächst auf 60 Minuten pro Werktag in nur noch einem werbeführenden Hörfunkprogramm je ARD-Anstalt begrenzt und perspektivisch in weiteren Schritten reduziert werden soll. Das Telemedienwerbeverbot für die Rundfunkanstalten – so, wie es im Medienstaatsvertrag verankert ist – muss erhalten bleiben. Das schließt eine Begrenzung der kommerziellen Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen v. a. auf Drittplattformen ein.

Zugang zu Daten und Schnittstellen sind unverzichtbar für vermarktbare Reichweiten und die Weiterentwicklung von Medienangeboten.

Globale Big-Tech-Plattformen spielen eine Schlüsselrolle bei Verbreitung, Auffindbarkeit und Vermarktung von Medieninhalten. Für die privaten Medienanbieter sind sie größter Wettbewerber und wichtiger Partner zugleich. Dass ihre Angebote und Inhalte auf allen (Kern-)Plattformdiensten und Benutzeroberflächen wie App-Stores, Suchmaschinen, Social-Media-Kanälen und Smart Speakern abgebildet und gefunden werden, ist für die Reichweite privater Programme und den (wirtschaftlichen) Erfolg der Medienunternehmen – und damit für die Medien- und Meinungsvielfalt – essenziell. Dabei sind der Zugang zu Schnittstellen und Daten eine wichtige Basis für die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle privater Medien. Sie ermöglichen vermarktbare Reichweiten und damit eine privatwirtschaftliche Refinanzierung journalistischer und unterhaltender Inhalte durch Werbung und Abonnements.

Werbung refinanziert freien Journalismus.

Insbesondere im Bereich der Online-Werbetechnologie (AdTech) bei der Nutzungsmessung und der Ausspielung von Onlinewerbung stehen die privaten Medienanbieter den globalen Gatekeepern in einem ungleichen Wettbewerb gegenüber.

Deren Zugang zu First-Party-Nutzungs- und Reichweitendaten, die mit Angeboten von Inhalteanbietern generiert werden, ermöglicht besonders effektive zielgruppenspezifische Werbeplatzierungen. Gleichzeitig schränken die Tech-Plattformen den technologischen Zugriff auf ihre eigenen Werbeinventare über AdTech-Lösungen ein oder machen diesen von der Nutzung plattformeigener technologischer Lösungen abhängig. Folgerichtig stehen Wettbewerbsbeschränkungen im AdTech-Bereich im Fokus kartellbehördlicher Verfahren auf europäischer und nationaler Ebene, u. a. gegen Google und Apple. So hat Google nach Ansicht der Europäischen Kommission seiner eigenen Werbebörse vorsätzlich und unrechtmäßig Wettbewerbsvorteile verschafft und Konkurrenten auf den betroffenen Märkten verdrängt. Das Bundeskartellamt prüft Apples Tracking-Regelung für Drittanbieter-Apps im Zusammenhang mit dem sog. „App Tracking Transparency Framework (ATTF)“, über den sich Apple die exklusive Hoheit über die Nutzerdaten von Drittanbieter-Apps sichert.

Darüber hinaus steigen die Gatekeeper-Plattformen im Zuge des internationalen Ausbaus ihres Werbegeschäfts vermehrt auch in die Vermarktung eines prozentualen Anteils von Dritt-Werbeinventaren ein. Durch Regelungen in ihren AGBs oder sog. „optimization policies” wird hier versucht, in strategisch und ökonomisch essenzielle Geschäftsmodelle und Vermarktungsmöglichkeiten privater und unabhängiger Medienangebote einzugreifen und damit die Refinanzierungsgrundlage der Medienanbieter zu gefährden.

Für mehr (fairen) Wettbewerb im AdTech-Bereich braucht es neben dem Zugang zu Daten weitergehende Verpflichtungen für die Gatekeeper wie z. B. zur Interoperabilität – der Öffnung von Schnittstellen zu digitalen Werbetechnologien der Plattformen – und Datenportabilität. Die Regelungen im Digital Markets Act (DMA) sind hierbei teilweise hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Entscheidend wird deshalb nun die effiziente Durchsetzung des DMA durch die Kommission als „sole enforcer” sein, sowie ein schnelles und kohärentes Handeln der Kartellrechtsbehörden auf nationaler Ebene bei der Durchsetzung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots. Dies erfordert ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass werbe- und datenbasierte Geschäftsmodelle Content und damit Medienvielfalt refinanzieren. Dies versucht der VAUNET gemeinsam mit anderen Verbänden der Medien- und Werbewirtschaft konsequent als Beschwerdeführer in angestrengten Kartellverfahren wie z. B. vor dem Bundeskartellamt gegen Apples ATT zu erzeugen.

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