Bei der VAUNET-Media Lounge „Network Fees oder Fair Share: Alter Wein in neuen Schläuchen?!“ im Rahmen der Medientage München diskutierten am Dienstag, 18. Oktober 2022 Infrastrukturbetreiber, Content-Anbieter und Regulierer, welche Folgen eine neue Form von Einspeiseentgelten für die Medienbranche hätte.
Die Debatte um eine „Daten-Maut“ ist zurück: EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager kündigte an, die Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung auszuloten, mit der datenintensive Dienste wie Video-on-Demand- und Streaminganbieter dazu verpflichtet werden könnten, sich an den Kosten für den Infrastrukturausbau – insbesondere bei 5G und dem Glasfasernetzwerk – in der Europäischen Union zu beteiligen, eine sogenannte „faire Beteiligung“. Die EU-Kommission plant eine Konsultation und gegebenenfalls eine entsprechende Initiative.
Zur Frage „Network Fees oder Fair Share?“ diskutierten Dr. Wolf Osthaus, Director Public Policy DACH, Netflix, Dr. Stephan Korehnke, Bereichsleiter/Director Regulatory Affairs, Vodafone Deutschland und Dr. Annette Schumacher, Geschäftsführerin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Moderiert wurde das Panel von VAUNET-Vorstand Jürgen Hofmann, LL. M. Director Policy, Public & EU Affairs, Sky.
In seinem Impulsreferat betonte Claus Grewenig, VAUNET-Vorstandsvorsitzender & Chief Corporate Affairs Officer, RTL Deutschland, dass Inhalteanbieter über die letzten Jahrzehnte auf „klassischen“ Verbreitungswegen lange dafür gekämpft hätten, dass die Einbahnstraße der Zahlungen im Sinne der Aufwertung der Netze mit hochwertigen – journalistischen, informierenden oder unterhaltenden Inhalten – sich dahin entwickelt, dass auch der Wert der Inhalte Berücksichtigung findet. Der VAUNET-Vorsitzende wies darauf hin, dass VAUNET-Mitglieder ca. 2,5 Mrd. Euro jährlich in Inhalte investieren, die Kultur- und Kreativwirtschaft befindet sich unter den TOP 3 der wirtschaftlich bedeutsamsten Industrien.
In der öffentlichen und auch einem Teil der politischen Debatte richtet sich der Fokus meist auf die großen Plattformen von Google über Meta bis Amazon. Kleinere Inhalteanbieter, die auf nationalen Märkten sind, sollen vermeintlich gar nicht Gegenstand der Forderungen der Telekommunikationsanbieter sein.
Kritisch eingeordnet haben entsprechende Vorhaben damals wie heute die europäischen Regulierungsbehörden BEREC (Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation), die sich deutlich gegen Markteingriffe gewandt und auf das Erfordernis einer Rechtfertigung verwiesen haben – das Internet habe bewiesen, sich selbst an verändernde Bedingungen anpassen zu können.
„Wir mischen uns aktiv ein, solange es unklar ist, ob die im VAUNET vertretenen Inhalteanbieter in den Kreis der mit dem Vorhaben „Zwangsbeglückten“ aufzurücken drohen – also durch unklare Schwellenwerte, durch fehlende Gatekeeper-Definitionen oder einen mangelnden expliziten Ausschluss ein Risiko besteht“, lautete das Fazit des VAUNET-Vorstandsvorsitzenden.
Das daran anschließende Panel diskutierte, ob es überhaupt einen „Fair Share“ geben kann. Und wenn ja, was wäre eine faire Regulierung dafür?
„Die Frage ist politisch, nicht regulatorisch“ betonte Dr. Stephan Korehnke, Bereichsleiter/Director Regulatory Affairs, Vodafone Deutschland. Deshalb müsse sie auch auf europäischer Ebene beantwortet werden. Die Notwendigkeit in die Infrastruktur zu investieren, ergebe sich, so seine Argumentation, aus der Kundenerwartung und der Wettbewerbssituation. Telekommunikationsnetze gehörten zu den Bereichen, die die höchsten Anforderungen stellen. Glasfaser- und 5G-Netze müssten flächendeckend ausgebaut werden. Derzeit gebe es eine Investitionslücke von 300 Milliarden Euro.
„Wir müssen über den Wert der Netzinfrastruktur reden und wer diese finanziert“, sagte Dr. Stephan Korehnke. Dazu schlug er ein Modell vor, dass „wenig eingriffsintensiv ist und auf einer Distributionsresolution basieren würde.“ Dies würde sicherstellen, dass Verhandlungen zwischen OTTs und Netzbetreibern stattfinden und „wir einen Investitionsbeitrag durchsetzen können, der fair und ausgewogen ist.“ Er unterstrich, dass es nicht darum gehe, kleine Anbieter zu adressieren, die einen vergleichsweise geringen Anteil am Verkehr darstellten.
Denn laut einer von der Telekommunikationsbranche finanzierten Studie verursachen gerade einmal sechs große US-Internetdienste – Apple, der Facebook-Mutterkonzern Meta, Amazon, Microsoft, der Google-Mutterkonzern Alphabet und Netflix – über die Hälfte (56 Prozent) des jährlichen weltweiten Datentransfers.
Dr. Wolf Osthaus, Director Public Policy DACH, Netflix, konterte den Vorschlag von Dr. Stephan Korehnke mit der Frage: „Wer profitiert hier von wem?“ Internet biete keinen Mehrwert, es seien die Inhalte, die darüber transportiert werden. Er unterstrich, dass Netflix schon viel investiere, „damit die Inhalte effizient ausgeliefert werden.“ Dazu nutze der Streamingdienst seine eigene Infrastruktur und ermögliche jedem Internet Service Provider (ISP), seine Inhalte anzubieten. „Server kosten eine Menge Geld und wir bespielen sie nicht zu Peak-Zeiten. Off-Peak kostet so gut wie kein Geld. Für was sollen wir eigentlich bezahlen?“ argumentierte der Netflix-Director Public Policy. Auch sei es wichtig, auf die Folgen zu schauen. Content-Geschäftsmodelle „waren noch nie besonders lukrativ“, dennoch sei es Netflix gelungen, operativ profitabel zu sein. Das Adressieren an die Großen, die im Cloud-Bereich tätig sind, funktioniere als politisches Framing gut, meinte Dr. Wolf Osthaus. Aber laut einem Bericht der Landesmedienanstalten hätte die ARD-Mediathek mehr Nutzer:innen als Netflix. Darüber hinaus gäben Dienstleister wie Google & Co die Kosten weiter.
„Braucht man eine Abgabe wirklich?“, fragte auch Dr. Annette Schumacher, Geschäftsführerin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. „Ich habe Sorge, dass man ein weiteres Feld zwischen Content- und Infrastrukturanbieter eröffnet, auch weil die Relevanz von OTT kontinuierlich zunimmt. Damit können die Strukturen komplexer werden und zu Lasten der Kleinen gehen.“ Eine Situation wie in Südkorea, wo vor einiger Zeit eingeführte Network Fees Studien zufolge zu einem Weniger an Medienvielfalt geführt haben, sei nicht wünschenswert. „Wo lokale Vielfalt betroffen ist, müssen wir entsprechend mitreden können“, sagte Dr. Annette Schumacher.