MTM 2022: VAUNET-Live-Podcast „Radio.trifft.Politik“ zur Audio-Zukunft mit Dr. Thorsten Schmiege und Dr. Nina Gerhardt

Das Telemedien-Werbeverbot darf nicht durch kommerzielle Vermarktungsaktivitäten der öffentlich-Rechtlichen ausgehöhlt werden. Auffindbarkeit und Verbreitung privater Radioinhalte sind nachhaltig zu sichern, ein Umstieg von UKW auf DAB+ muss eine unternehmerische, keine politische Entscheidung sein. Die Energieversorgung der Sender muss auch bei Energieengpässen sichergestellt werden: Das sind zentrale Takeaways des Live-Podcasts bei den Medientagen München.

Im Fokus der Live-Aufzeichnung mit Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Dr. Nina Gerhardt, Geschäftsführerin von RTL Radio Deutschland und stellvertretende Vorsitzende des VAUNET-Fachbereichs Radio und Audiodienste und Podcast-Host José Narciandi, Leiter des Düsseldorfer Landtagsstudios von radio NRW standen drängende Gegenwarts- und Zukunftsthemen für die über 400 Privatradiosender, die einen maßgeblichen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs in Deutschland leisten.

Public-Value-Listen für leichte Auffindbarkeit von Radioangeboten

Dies erkannte im Gespräch Schmiege ausdrücklich an: „Dass das Privatradio wichtig ist für die Meinungsvielfalt in Deutschland, ist selbstverständlich, weil es ihm besonders gut gelingt, die Nutzer:innen auf Augenhöhe abzuholen.“

Eine Anerkennung für ihren besonderen Anteil an Meinungsbildung und -vielfalt im Land stellt auch die Aufnahme eines Großteils der privaten Radioanbieter in die „Public-Value-Listen“ der Landesmedienanstalten dar, die auf Benutzeroberflächen leicht auffindbar sein müssen. Private Medien mussten sich dazu in einem umfassenden Verfahren bewerben.

Die Auffindbarkeit legt einen Grundstein für die Zukunft. Wir müssen dafür sorgen, dass wir dort, wo eine Relevanz besteht, auch gefunden werden.

Dr. Nina Gerhardt, Stellvertretende Vorsitzende des VAUNET-Fachbereichs Radio und Audiodienste und Geschäftsführerin von RTL Radio Deutschland

BLM-Präsident Schmiege hob die gesellschaftliche Bedeutung gerade regionaler und lokaler Angebote hervor: „Egal ob in Berchtesgaden oder Castrop-Rauxel: Wenn ein Lokalradio die Bevölkerung mit Informationen versorgt, die vor Ort relevant sind, dann ist das im besten Sinne Public Value“.

Die praktische Umsetzung der Public-Value-Listungen erfolgt derzeit im Dialog mit den Geräteherstellern und Anbietern von Benutzeroberflächen. Dazu gehören auch die Automobilhersteller, denn das Display eines Autoradios kann ebenfalls Benutzeroberfläche sein. „Radio hat auf Benutzeroberflächen eine besondere, privilegierte Stellung, und die muss auch umgesetzt werden“, so Schmiege. Dabei sei es wichtig, dass in Zukunft auch im Auto Radio immer die erste auffindbare Mediennutzung sei – und dass Auffindbarkeit nicht nur für „Public-Value-Angebote“ gesichert sei: „Nicht jeder Radiosender hat Public-Value-Status, aber jeder Radiosender muss auf einer Benutzeroberfläche auf der ersten Ebene auffindbar sein“, so Schmiege.

Die Aufnahme in die Public-Value-Listen gilt zunächst für drei Jahre. Laut BLM-Präsident Schmiege werde das Verfahren derzeit evaluiert, um pragmatische Wege für eine leichtere und schnellere Umsetzung der nächsten Verfahrensrunde zu finden. Gerhardt forderte, den Prozess nicht starr zu betrachten und künftig auch neue Angebote und neue Benutzeroberflächen zu berücksichtigen. Es „sollten nicht nur die Sender unter dem Aspekt des Public Value betrachtet, sondern auch neue Touchpoints einbezogen werden.“

Verbreitungswege: UKW vs. DAB+

Beim Thema UKW-Verbreitung machte die RTL Radio Deutschland-Geschäftsführerin Gerhardt deren große wirtschaftliche Bedeutung für die privaten Radioanbieter deutlich, auch wenn diese bereits teils intensiv in DAB+ investierten:

53 Millionen hören täglich Radio – auch weil UKW so breit genutzt wird. Eine UKW-Abschaltung zugunsten DAB+ würde dem Privatradio den Hauptfinanzierungsweg abschneiden.

Dr. Nina Gerhardt, Stellvertretende Vorsitzende des VAUNET-Fachbereichs Radio und Audiodienste und Geschäftsführerin von RTL Radio Deutschland

Mit Verweis auf die rund drei Mal höheren Reichweiten von UKW gegenüber DAB+ verwies Gerhardt auf das Beispiel Norwegen, wo der Markt nach Abschaltung der UKW-Frequenzen ein Minus von 30 Prozent verzeichnet habe, da eine geringere Reichweite auch geringere Werbeeinnahmen bedeute. „Das will hier niemand, denn das gefährdet die Existenz.“ Vor diesem Hintergrund appelliert sie, keine Szenarien zu entwickeln, die nicht aus dem Markt kommen. Ein Umstieg sollte eine unternehmerische Entscheidung, keine politische sein.

BLM-Präsident Schmiege stellte klar, dass auch er UKW gegenwärtig als ganz wichtiges Standbein des Privatradios sieht und betonte, das Auslaufen der UKW-Zuweisungen in Bayern 2025 „ist kein natürliches Abschaltdatum.“ Mit Blick auf die Zukunft und vor dem Hintergrund der teils unterschiedlichen Interessenlagen, die ein Audiodialog der Landesmedienanstalt mit den privaten Radioanbietern in Bayern zutage gefördert habe, tritt er für eine breite Diskussion ein: „Wir müssen gemeinsam einen Weg finden, der für alle passt.“ Die Zukunft der Verbreitung müsse planbar sein. „Daher sollten wir jetzt die Bedingungen formulieren, unter denen eine Migration stattfinden soll.“

VAUNET-Panel auf den Medientagen München 2022
© A. Päseler

Werbung bei öffentlich-rechtlichen Telemedien-Angeboten

Bei der Abgrenzung privater von öffentlich-rechtlichen Radioanbietern spielte das Thema Werbung eine wichtige Rolle. Der VAUNET als Interessenvertretung des Privatradios, so Gerhardt, tritt hierbei für das NDR-Modell ein: Die Werbung bei öffentlich-rechtlichen Anbietern sollte auf 60 Minuten täglich und ein werbeführendes Programm pro Anstalt begrenzt werden.

Noch wichtiger sei aber die Frage nach Werbung im Onlinebereich. Gerhardt verwies hier auf aktuelle Testballons, bei denen die öffentlich-rechtlicher Anstalten eigene Inhalte auf Drittplattformen vermarkten. Als ein Präzedenzfall wurde der WDR-Podcast „Bratwurst und Baklava“, vor den auf YouTube von einem WDR-Tochterunternehmen selbst vermarktete Werbeanzeigen geschaltet wurden.

Da schrillen bei mir die Alarmglocken, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich anfängt, im Onlinebereich werben zu wollen.

Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Das Online-Werbeverbot dürfe nicht fallen oder ausgehöhlt werden, denn „dann können sich die Privaten im Onlinebereich viel schlechter entwickeln.“ So forderte auch RTL Radio Deutschland-Chefin Gerhardt: „Dazu brauchen wir ein klares Commitment der Politik, dass es dieses Telemedien-Werbeverbot gibt und weitergeben soll“.

Energieversorgung des Privatradios bei Versorgungsengpässen

BLM-Präsident Schmiege war aufgrund der aktuellen politischen Situation auch die Frage wichtig, wie es im nächsten Winter weitergeht, sollte es zu Stromengpässen kommen. Ihm sei es sehr wichtig, dass die Medienanstalten sich nochmals dafür einsetzen, dass Rundfunk als kritische Infrastruktur anerkannt sei und dass es dieser Systemrelevanz entsprechend nicht zu Versorgungsengpässen komme. Denn auch wenn Radioanbieter grundsätzlich als kritische Infrastruktur in die jeweilige Verordnung des Bundes aufgenommen seien, sei es nicht nur der Radiosender, der mit Strom versorgt werden müsse. Es ginge auch um die Senderinfrastruktur, die funktionieren müsse. Da bestünden höchst unterschiedliche Standards, wie lange die verschiedenen Anbieter einen Blackout überstehen könnten.

Jetzt reinhören!

„Wie erreicht Privatradio künftig seine Hörer:innen? Radio.trifft…Thorsten Schmiege & Nina Gerhardt“ bei YouTube, Audio Now, Spotify, Apple Podcasts/iTunes, Amazon Music und Audible.

Über den VAUNET-Podcast

Deutschland hat mit über 430 privat finanzierten Hörfunkprogrammen eine einzigartige Radiolandschaft. Sie stehen derzeit vor großen Herausforderungen: Von der Corona-Krise, dem Krieg in der Ukraine und weltwirtschaftliche Verwerfungen über Fragen zur Digitalisierung und Programmverbreitung bis hin zum Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und globalen Tech-Konzernen. In „Radio.trifft.Politik – Der VAUNET-Podcast zur Audio-Zukunft“ spricht Host José Narciandi, Leiter des Landtagsstudios Düsseldorf von radio NRW, mit den zentralen politischen Entscheider:innen für die Radiobranche über die Zukunft des Pivatradios in Deutschland. Alle VAUNET-Podcasts finden auf der VAUNET-Website und dem VAUNET-YouTube-Kanal.

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