Zwischen Vision und Wirklichkeit: Wie KI den Medienalltag revolutioniert – VAUNET-Panel bei der ANGA COM 2025

12 Monate in Sachen Künstlicher Intelligenz? Eine halbe Ewigkeit! Darin waren sich die Teilnehmenden des VAUNET-Panels auf der ANGA COM einig. In Rekordzeit ist der KI-Einsatz in Medienhäusern dem embryonalen Experimentierstadium entwachsen und zum festen Bestandteil von Workflows und Business Plänen geworden, einschließlich KI-beeinflusster Key Performance Indikatoren.

Aber was leistet KI in der Sender-Praxis konkret, welche Grenzen haben sich herauskristallisiert und was kommt als nächstes? Dazu gab es beim VAUNET-Panel „Zwischen Vision und Realität: Wie KI die Medienbranche verändert“ am 3. Juni 2025 in Köln exklusive Einblicke in den KI-Maschinenraum von ntv-Chefredakteur David Whigham, der Redaktionsleiterin Boulevard & Infotainment / Digital Newsroom bei der Seven.One Entertainment Group GmbH Maren Langbehn und dem Leiter Digital bei HIT RADIO FFH Roger Hofmann. Die Moderation übernahm Medienjournalist und DWDL-Chefreporter Torsten Zarges.

„Wir haben den Einsatz von KI in der Redaktion in den vergangenen Monaten massiv ausgebaut“, so Maren Langbehn. Zentrales Einsatzfeld ist die Entlastung von aufwändigen Routineaufgaben. „Bei den im Newsbereich wichtigen Recherchen ist KI mittlerweile der Startpunkt und entlastet uns erheblich bei der Suche nach Expert:innen mit Kameraerfahrung und interessanten Perspektiven für aktuelle Themen, von Wahlen über Kriminalfälle bis zum Papst-Konklave.“

Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Roger Hofmann listet weitere Anwendungen auf: Transkriptionen von Interviews, Zusammenfassung von Texten, individualisierte Verkehrsmeldungen, Erstellung und Optimierung von Push-Nachrichten für Nutzer:innen auf Basis KI-generierter Analysen und Leitfäden, Umwandlung und Auffindbarkeit von O-Tönen für Suchmaschinen, automatisiertes Erstellen von Teilnahmebedingungen für Gewinnspiele… Die Möglichkeiten scheinen schier endlos.

Eins wird jedoch schnell klar: Bei der journalistischen Arbeit stehen KI-Tools nicht im Zentrum, hier spielen weiterhin Menschen die Hauptrolle. So hat Langbehn in ihrem Arbeitsbereich die Erfahrung gemacht, dass KI bei der Erkennung von Fakes in Video, Text und Bild weiterhin sehr unzuverlässig ist.

Den gesunden Menschenverstand gepaart mit journalistischem Blick und Erfahrung wird KI auch langfristig nicht ersetzen.

David Whigham, ntv-Chefredakteur

Ähnliches bei RTL/ntv: Hier unterstützt KI zwar beim Fact-Checking, aber: „Den gesunden Menschenverstand gepaart mit journalistischem Blick und Erfahrung wird KI auch langfristig nicht ersetzen“, so David Whigham. „Die Entscheidung darüber, was echt ist und was nicht, bleibt beim Menschen.“ Der Mensch bleibt verantwortlicher Redakteur und damit Absender für News.

Dazu muss der Mensch gängige und neue KI-Anwendungen kennen und ihre Möglichkeiten realistisch einschätzen können, beispielsweise um die Funktionsweise von Deep-Fake-Tools möglichst gut einordnen zu können.

Wir nutzen mittlerweile rund 150 eigene KI-Assistenten, einschließlich text-to-speech und text-to-video.

Maren Langbehn, Redaktionsleiterin Boulevard & Infotainment / Digital Newsroom bei der Seven.One Entertainment Group GmbH

Ständig Neues auszuprobieren wird also auch künftig eine zentrale Aufgabe beim Umgang mit KI sein. Und das könnte perspektivisch zu einer großen Herausforderung werden. „Wir nutzen mittlerweile rund 150 eigene KI-Assistenten, einschließlich text-to-speech und text-to-video“, so Maren Langbehn. „Bei der großen Toolmenge ist es mittlerweile schwer, das passende auszuwählen“ – und das werde künftig sicher nicht leichter.

Trotzdem müssen Medienhäuser das Optimierungspotenzial von KI weiter konsequent nutzen und weiterentwickeln, um mittel- und langfristig am Markt zu bestehen. Dabei stellt sich immer drängender die Frage, wie in der KI-geprägten Zukunft die Geschäftsmodelle der Medien weiterentwickelt werden müssen.

David Whigham berichtet von den Kooperationen zwischen RTL/ntv und KI-Anbietern. Bei „Perplexity“ sei die Marke ntv bei Nutzersuchen gut erkennbar, Quellenangaben seien gut sichtbar. Nichtsdestotrotz drohten sich die bereits bestehenden Big-Tech-Abhängigkeiten durch KI massiv zu verschärfen. Sein Appell: „Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, den Big-Tech-Konzernen hochwertigen Content praktisch kostenlos zur Verfügung zu stellen“.

Whigham begrüßte den Vorschlag des neuen Kulturstaatsministers Dr. Wolfram Weimer, eine Big-Tech-Abgabe einzuführen, und rief dazu auf, europäische und deutsche Mittel bereitzustellen, um der großen Abhängigkeit entgegenzuwirken.

Ein Level-Playing-Field mit fairer Auffindbarkeit von Medieninhalten sei dabei letztlich auch im Interesse der Big-Tech-KI-Anbieter, denn diese würden früher oder später „verdursten“, da sie ohne angemessene Refinanzierungsmöglichkeiten für Content-Produzenten langfristig auch keine Inhalte mehr für ihre Systeme haben würden.

Roger Hofmann und Maren Langbehn verwiesen vor diesem Hintergrund auf deutsche KI-Startups, die es zu unterstützen gelte. Es müssten starke KI-Lösungen in Deutschland und Europa geschaffen werden. Alle drei Panelist:innen appellierten vor diesem Hintergrund auch an ihre eigene Branche, über Unternehmens- und Gattungsgrenzen beim Thema KI enger zu kooperieren und Allianzen zu schaffen. Gemeinsam komme man einfach weiter.

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