Wie stehen die Parteien zu Werbebeschränkungen bei Lebensmitteln oder Alkohol oder zu den nächsten Schritten bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl setzen stark unterschiedliche Schwerpunkte in der Kultur- und Medienpolitik. Der VAUNET hat eine erste kursorische Übersicht dazu erstellt, ob und welche zentralen Themen unserer Branche dabei Berücksichtigung finden.
VAUNET-Mitglieder-Update zur Bundestagswahl 2025 zum Download
Update vom 30. Januar 2025:
Bayern-Agenda“ der CSU & „Agenda 2030“ der CDU
Ergänzend zum Unions-Wahlprogramm hat die CSU am 20. Januar 2025 ihre „Bayern-Agenda“ mit Fokus auf eine deregulierende Wirtschaftspolitik beschlossen. Mit der „Agenda 2030“ definiert die CDU „mindestens zwei Prozent“ Wachstum für Deutschland und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas als zentrale Ziele.
„Bayern-Agenda“ der CSU
- „Massiver Abbau von Bürokratie durch Entrümpelungsgesetze („one in – two out“), Bürokratie-Checks, Reduzierung von Statistikpflichten und Doppelstrukturen.
- Einführung eines „Anti-Gold-Plating-Gesetzes“ zur Verhinderung der nationalen Übererfüllung von europäischem Recht
- „Hightech-Agenda für Deutschland“
Agenda 2030 der CDU für zwei Prozent Wachstum:
- Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit, u. a. durch Schaffung einer Digitalunion
- Digitalisierung und KI fördern: „pragmatische Datenchancenpolitik“, Glasfaserausbau beschleunigen, Bündelung der Verantwortlichkeiten in Bundesdigitalministerium
- Verbesserte Gesetzgebung durch Befristungen und Wirksamkeitskontrollen
FDP-Ergänzungen zum Wahlprogramm
Der FDP-Bundesvorstand hat am 13. Januar 2025 ergänzende Module zum FDP-Wahlprogramm für die anstehende Bundestagswahl beschlossen, u. a. zur Kulturpolitik, zum Urheberrecht sowie zur Digital- und Datenpolitik.
Ergänzende Ausführungen zur Kultur
- Kulturpolitik als zentrale Gesellschaftspolitik begreifen
- Kultur inklusiv denken
- Gründungsoffensive im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft
- Erhalt der Künstlersozialkasse
- Kulturtourismus ausbauen
- Bekämpfung von Antisemitismus im Kulturbetrieb
Ergänzungen zum Urheberrecht
- Modernes Urheberrecht statt Uploadfilter
- Moderneres Urheberrecht im digitalen Raum
Konkretisierungen zu Digital- und Datenpolitik
- Digitale Souveränität und globales, freies Internet (u. a. mit Forderung nach Netzneutralität)
- Verfügbarkeit von Daten und Datenwerkzeugen verbessern
- Digitalpolitische Konsolidierung auf europäischer Ebene durchsetzen und EU-Binnenmarkt stärken
- Aufbau belastbarer Digitalkompetenzen
Grünen-Änderungen am Wahlprogramm
Die Grünen haben auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz am 26. Januar ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 beschlossen. Es wurden 1900 Änderungsanträge eingereicht. Die vorläufige Beschlussfassung enthält auch einige Änderungen mit Relevanz für die Medienbranche.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
- Reformen zur Weiterentwicklung des ÖRR unter Bezugnahme auf KEF-Empfehlungen mit einer auskömmlichen Finanzierung und verlässlichen Rahmenbedingungen sichern
- Eine Europäische ÖRR-Plattform als Gegenangebot zu „rein kommerziellen“ (privaten) Angeboten
Big-Tech-Plattformen
- Übermächtige Plattformunternehmen an der Ausweitung ihrer Macht hindern und dafür das Wettbewerbsrecht „in aller Härte“ nutzen
- Entlastung kleiner Übernahme- und Fusionsfälle in Deutschland und Europa von bürokratischen Verfahren
- Unterstützung des Digital Fairness Act der EU-Kommission mit Blick auf Produktverantwortung großer Plattformen
- Konsequente und staatsferne Umsetzung und – wo nötig – Verbesserungen von Digital Services Act und Digital Markets Act
- Weitere Ressourcen für die Medienanstalten für effizientere Verfolgung von Hasskriminalität im Internet und den sozialen Medien
KI und Urheberrecht
- Bessere Rechtsdurchsetzung von Rechten und Vergütungsansprüchen für Urheber:innen bei der Verwendung urheberrechtlich geschützter Daten für KI-Systeme
- Transparenz und bessere Erkennbarkeit beim Einsatz von KI
- Prüfung der Auswirkungen von KI auf den Kulturbereich (besonders im Hinblick auf faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung, Persönlichkeitsrechte, Datenschutzvorgaben und Urheberrecht)
- Angemessene Vergütung von Künstler:innen im Urheberrecht
- Beteiligung digitaler Plattformen an der Künstlersozialversicherung
Digitalpolitik
- Explizite Forderung nach einem Digitalministerium
Wettbewerbspolitik
- Starke deutsche und europäische Wettbewerbspolitik gegen „Profitinflation“ mit unabhängigem Bundeskartellamt und EU-Kommission im Zentrum
- Wettbewerbsrecht weiterentwickeln, für mehr Fairness und um KMU und Verbraucher:innen effektiver vor Monopolen zu schützen
Verbraucher- und Datenschutz
- Schutz vor unfairen, unseriösen und diskriminierenden Geschäftspraktiken (expliziter bezogen auf den Lebensmittel- und Finanzbereich, aber auch mit Blick auf den Kauf oder das Anbieten von Likes oder Followern auf Online-Plattformen)
- Umsetzung des Datenschutzes stark vereinfachen und weniger bürokratisch gestalten, um Potenzial von Datenkollaboration für Innovation und Produktivität zu heben – ohne das Datenschutzniveau zu senken
Filmförderung: Für geeignete Richtlinien in der Filmförderung (und anderen kulturellen Förderungen), sodass die gesellschaftliche Diversität in der Kultur angemessen repräsentiert wird.
Werbung: Keine Veränderung im Absatz zu den Werbebeschränkungen, dafür ein neuer Satz zum Bürgerrat (der etwa die Prüfung eines Werbeverbots für Fleisch vorschlägt): „Wir begrüßen die Empfehlungen des Bürgerrats „Ernährung im Wandel“, die wichtige Maßnahmenvorschläge enthalten, die wir aufgreifen wollen.“
Ernährung: Sprachliche Veränderung beim Passus zu Ernährung mit dem Ergebnis „Jede:r soll selbst und gut entscheiden können, was auf den Teller kommt.“
Schutz der Demokratie
- Bundesweite Strategie gegen Desinformation unter Einbezug von Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen (keine Erwähnung von Medienanbietern)
- Großen Medienplattformen sollen auch auf EU-Ebene in die Pflicht genommen werden, wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation vorzunehmen
- Stärkung der Möglichkeiten der deutschen Strafverfolgungsbehörden im digitalen Raum, um gegen Organisierte & Hasskriminalität sowie anonymisierte Accounts vorgehen zu können (u. a. mit Accountsperren)
- Einsatz für Algorithmen sozialer Netzwerke, die eine vielfältige Informationslandschaft gewährleisten
Steuern: Setzen auf Einnahmen durch die lokale Besteuerung der Gewinne multinationaler Konzerne.
Kultur: Für fairere Bedingungen auf dem Ticketmarkt sowie bei der Verteilung von Streaming-Einnahmen, um Marktkonzentration in der Popkultur entgegenzuwirken.
Kursorische Übersicht, welche zentralen Themen unserer Branche in den Wahlprogrammen Berücksichtigung finden:
Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und des dualen Mediensystems
CDU/CSU
- Fordert ein neutrales, nicht bevormundendes Informationsangebot
- Betont Kernauftrag des ÖRR: Sparsamkeit, Meinungsvielfalt und Neutralität
- Unterstützt duales Mediensystem und faire Wettbewerbsbedingungen für private Medien (Werbeeinnahmen)
SPD
- Sieht ÖRR als zentrale Säule des dualen Mediensystems
- Strebt auftragsgerechte, rechtssichere Finanzierung des ÖRR an
- Unterstützt private Medien als wichtige zweite Säule durch regulatorische und ordnungspolitische Rahmenbedingungen
- Fördert lokale, regionale und innovative Medienformate
Grüne
- Betonen Bedeutung einer starken, vielfältigen Medienlandschaft für die Demokratie
- Fördern gezielt den Lokaljournalismus
- Unterstützen ÖRR als Orientierungspunkt gegen Desinformation
- Setzen sich für Sicherung der Medienvielfalt im digitalen Zeitalter ein
- Dafür nötige Reformen sollen durch auskömmliche Finanzierung und verlässliche Rahmenbedingungen gesichert werden
FDP
- Bekennt sich zum dualen Mediensystem
- Fordert Konzentration des ÖRR auf Kernaufgaben: Nachrichten, Bildung, Information
- Strebt Reduktion der Kanäle und Abbau von Doppelstrukturen an
- Will Rundfunkbeitrag senken und junge Menschen in Ausbildung davon befreien
AfD
- Sieht ÖRR in seiner jetzigen Form als nicht mehr zeitgemäß
- Fordert grundlegende Reform, Verschlankung und Entideologisierung des ÖRR
- Erwähnt duales Mediensystem oder private Medien nicht
Level-Playing-Field zu Big Tech-Plattformen schaffen und Kooperationen erleichtern
CDU/CSU
- Grundsätzlich positiver Duktus für Kooperationen und Allianzen
- DSA-Umsetzung in Bezug auf soziale Medien mit Blick auf mehr Transparenz, Kampf gegen Desinformation sowie Jugend- und Medienschutz
- Bindung der wettbewerbsrechtlichen Befugnisse des Bundeskartellamts zum Markteingriff an Rechtsverstoß
- „Globaler Markt als Maßstab“
SPD
- Plattformen sollen ihre Algorithmen und Entscheidungsprozesse offenlegen und auf diskriminierende oder manipulative Praktiken prüfen lassen
- Stärkung des Verbraucherschutzes durch Stärkung der Markt- und Wettbewerbsaufsicht, um die Interessen und Handlungsfähigkeit der Konsument:innen zu fördern
- Ziel eines „Level-Playing-Field“ für deutsche Marktteilnehmer:innen
Grüne
- Starke deutsche und europäische Wettbewerbspolitik mit starkem Kartellamt
- Starke Betonung des Schutzes von KMU und Verbraucher:innen vor Monopolen, Online-Plattformen und „unfairen Praktiken globaler Großunternehmen“
- „Kleine Übernahme- und Fusionsfälle in Deutschland und Europa“ sollen dafür von bürokratischen Verfahren entlastet werden
Werbebasierte Geschäftsmodelle und Verbraucherschutz
CDU/CSU
- Klares Bekenntnis zum werbebasierten Geschäftsmodell
- Explizite Ablehnung von Werbeverboten im Bereich Ernährung
- Kein expliziter Absatz zu Verbraucherschutz
- Unterstützung für werbebasierte Geschäftsmodelle durch explizite Bekenntnisse in Koalitionsverhandlungen vorgezeichnet
- Depriorisierung/Nicht-Thematisierung des Verbraucherschutzes
SPD
- strengere Regulierungen, Werbebeschränkungen und Altersgrenzen für Energy-Drinks, Alkohol, Einweg-Zigaretten, Cannabis und neuartige Nikotinprodukte
- Mehr Verbraucherschutz vor allem im digitalen Raum
- Gewisses Gleichgewicht und Sensibilisierung für Geschäftsmodelle notwendig
Grüne
- Kinder sollen vor Werbung für ungesunde Lebensmittel geschützt werden
- Verbraucherschutz muss „das Leben einfacher machen und Menschen vor unfairen Preisen, Intransparenz und Betrug schützen.“
- Besonders hohe Standards werden für finanziellen Verbraucherschutz gefordert
Innovationsfreundliche Datenpolitik fördern
CDU/CSU
- „Datenschutzpolitik muss eine echte Datenchancenpolitik werden“, wollen die Datenschutz-Grundverordnung alltagstauglich machen
- Anstelle von Datenminimierung, auf Datensouveränität und Datensorgfalt setzen
SPD
- Datenpolitik und Datenschutz wird nicht explizit behandelt, nur in Querverweisen erwähnt
Grüne
- Ausufernde Bürokratie soll abgebaut werden, gleichzeitige Erhaltung von Umwelt- und Verbraucherschutzstandards
- Datenschutzgrundverordnung soll effizienter und einheitlicher umgesetzt werden
Urheberrechte auch beim Einsatz von KI stärken
CDU/CSU
- Bekenntnis zu geistigem Eigentum und Erwähnung eines konsequenten Vorgehens gegen Piraterie Begrüßenswert
- Programm warnt stark vor Überregulierung von KI, betrachtet KI als prioritären Wirtschafts- und Wachstumszweig
SPD
- Gewährleistet Urheber- und Leistungsschutzrechte, schützt kreative Produkte und sorgt für eine angemessene Vergütung
- KI-generierte Inhalte sollen klar erkennbar sein
Grüne
- Die Nutzung künstlerischer Werke als KI-Trainingsdaten erfordert die Entwicklung fairer Vergütungsmodelle für Urheber:innen, beispielsweise durch innovative Lizenzkonzepte
- Trainingsdaten sollen auch von der Zustimmung der Rechteinhaber:innen abhängig sein
Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft
CDU/CSU
- Fokus auf Stärkung der Kreativwirtschaft
- Besondere Unterstützung für Musikindustrie, Kino-, Film- und Games-Förderung
- Betonung von Kultur-Sponsoring, Mäzenatentum und Wirtschaftskooperationen als wichtige Bestandteile des Kulturmanagements
SPD
- Sieht Kultur- und Kreativwirtschaft als wichtigen Innovations- und Beschäftigungsfaktor
- Strebt klare Rahmenbedingungen und Steueranreize zur Stärkung des Sektors an
- Plant einen zentralen Koordinator in der Bundesregierung zur besseren Nutzung des Potenzials und gezielten Unterstützung technologischer Entwicklungen wie KI
- Plant den Ausbau der Künstlersozialversicherung
Grüne
- Umfassender Ansatz, der alle Formen und Branchen von Kunst und Kultur einschließt
- Streben nach Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz zur umfassenden Stärkung von Kunst und Kultur
- Soziale Absicherung von Künstler:innen und Kulturproduzent:innen durch Künstlersozialversicherung, Absicherung für Soloselbstständige, wollen die eingeführten Honoraruntergrenzen in der Bundeskulturförderung verstetigen
FDP
- Sieht die Kultur- und Kreativwirtschaft als einen der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands an
- Strebt „hervorragende Rahmenbedingungen“ für diesen Sektor an
- Plädiert für die Aufhebung der Unterscheidung zwischen E- und U-Kultur
- Setzt sich für die Verankerung der Kultur als Staatsziel im Grundgesetz ein
AfD
- Künstlerische Freiheit muss in der Kulturförderung gewahrt bleiben
- Lehnt politische Vorgaben der staatlichen Kulturförderung ab
- Bekennt sich zur Kulturhoheit der Bundesländer
- Will die kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes begrenzen
- Strebt Umsatzsteuerbefreiung für künstlerische und pädagogische Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze an
- Will die Absicherung durch die Künstlersozialkasse gewährleisten