„AI eats Content?“ Unter diesem Titel brachte die KI-Konferenz des VAUNET am 11. Dezember 2024 über 120 Expert:innen aus Ministerien, Sendern, Streamern, Regulierungsbehörden, Verbänden und der Anwaltschaft in der BERTELSMANN Hauptstadtrepräsentanz in Berlin zusammen, um über Wettbewerbsrecht, AI-Act und Urheberrecht im Kontext Künstlicher Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Privaten Medien zu diskutieren.
Ideen und Einfallsreichtum der Kreativbranche zu schützen – „davon lebt die Kreativindustrie“, betonte VAUNET-Vorstandsvorsitzender Claus Grewenig zur Eröffnung. KI werde als „Turbo-Boost“ für kreative Prozesse gesehen, der Produktion und Verbreitung von Inhalten revolutioniere. Anwendungen reichten von Datenanalyse über Prozessoptimierung bis zur Erkennung von Fake News. Grewenig forderte verantwortungsvollen KI-Einsatz mit Fokus auf Urheberrecht und Datentransparenz, um die Qualität der Inhalte zu sichern und Vielfalt zu fördern.
Teil I: KI und Wettbewerb
In seiner Keynote ging Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, auf die Herausforderungen von KI für Wettbewerb und Demokratie ein. Er verwies auf die Machtkonzentration innerhalb des AI-Tech-Stacks, der auch der Digital Markets Act (DMA) noch keine Rechnung trage (insbesondere im Hinblick auf Cloud-Services). KI sei „wettbewerbsrechtlich eine Turbo-Technik, die im Guten wie im Schlechten wirkt“. Der AI-Tech-Stack und der Blick auf die Akteure zeigten, dass es für Unternehmen fast unmöglich sei, unabhängig von Big-Tech im KI-Bereich Fuß zu fassen. Insofern brauche es starke Wettbewerbsinstrumente wie den §19a Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und eine enge Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden, die aber auch mit den personellen und technischen Ressourcen ausgestattet sein müssten.
Anschließend beleuchtete die Paneldiskussion „KI und die Macht von Big Tech“, moderiert von Prof. Dr. Tristan Rohner (Bucerius Law School), die Chancen und Herausforderungen, die KI für private Medien mit sich bringt.
Christian Schalt (RTL) hob die Effizienzgewinne durch KI im Produktionsprozess hervor. Die Verlagerung der Inhaltsauslieferung auf große Plattformen führe indes zu einer Selbstbevorzugung dieser Anbieter und einer De-Priorisierung externer Inhalte.
Elena Peric (ProSiebenSat.1) warnte davor, dass Big Tech zunehmend Inhalte Dritter für das Training ihrer KI nutze, um daraus eigenen Content zu generieren. Das habe weitreichende Auswirkungen auf die Medienlandschaft. Man müsse sich die Frage stellen: „Is Big-Tech becoming Big-AI?“
Vanessa Cann (Accenture) plädierte für europäische Antworten auf die Dominanz von US-Tech-Firmen und verwies auf vielversprechende Open-Source-Lösungen. Gleichzeitig betonte sie, dass Regulierungen allein nicht ausreichten – Partnerschaften seien essenziell.
Dr. Thorsten Kaeseberg (Referatsleiter Wettbewerbspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)) forderte, dass Deutschland und Europa aktiv als Akteure auftreten müssten – etwa durch Gesetze wie den §19a GWB –, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten.
Prof. Dr. Thomas Höppner (HAUSFELD) unterstrich ebenfalls die Bedeutung bestehender rechtlicher Instrumente und forderte deren konsequente Anwendung, da ein „Weiter-so“ keine Option sei.
Insgesamt waren sich die Expert:innen einig, dass eine Balance zwischen Innovation und Regulierung gefunden werden müsse. Dabei spielten Partnerschaften, Transparenz sowie eine effiziente Rechtsdurchsetzung eine entscheidende Rolle
Teil II: Der AI-Act – ein Game Changer?
Der zweite Teil der Konferenz widmete sich dem am 1. August 2024 in Kraft getretenen AI-Act. Prof. Dr. Philipp Hacker (Europa-Universität Viadrina) präsentierte eine Analyse des aktuellen Stands, ging auf Interferenzen mit dem Urheber- und Datenschutzrecht ein und gab einen Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen.
„Man ist schneller Anbieter, als man denkt“, so Hacker, der auf auch für die Mitglieder des VAUNET wichtige Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Nutzung von geschütztem Material für das Training von „General Purpose AI“ (GPAI) und der Weiterentwicklung solcher Modelle einging. Abschließend wendete er sich den Plänen des nationalen KI-Government-Konzepts der Bundesregierung zu, das schlanke Strukturen und eine Vermeidung von Doppelstrukturen vorsieht. Die Bundesnetzagentur soll eine zentrale Rolle übernehmen und mit bestehenden, sektorspezifischen Behörden zusammenarbeiten. Angesichts der Verkürzung der Legislaturperiode stehe jedoch das Ziel in Frage, bis zum 2. August 2025 ein funktionierendes Behördensystem zu etablieren, so Hacker.
Teil III: Urheberrecht im Spannungsfeld von KI
Das Urheberrecht stand am Nachmittag im Fokus. Dr. Christian Meyer-Seitz (Leiter der Abteilung „Handels- und Wirtschaftsrecht“ im Bundesministerium der Justiz (BMJ)), ging detailliert auf die Beziehung von KI und Urheberrecht sowie künftige Aufgabe des nationalen und europäischen Gesetzgebers zur Absicherung der Kreativen und der Kreativwirtschaft ein. Zentral werde dabei die Sicherstellung von Transparenz bei der Nutzung urhebergeschützter Werke, Training von GPAI-Modellen sowie die künftige Ausgestaltung von Vergütungsmodellen und Verwertungsrechten.
In der anschließenden Paneldiskussion, moderiert von Rechtsanwalt Dr. Ole Jani (CMS Law Tax), wurde die komplexe Beziehung zwischen Urheberrechtsschutz und Innovation im Kontext generativer KI erörtert.
Dr. Amit Datta (Aleph Alpha) plädierte für eine ausgewogene rechtliche Regulierung und warnte vor übertriebenen Szenarien.
Dr. Christian Meyer-Seitz zog Parallelen zur Regulierung von Upload-Plattformen und zeigte sich optimistisch, dass eine ähnlich gute Lösung für KI gefunden werden könne. Dabei betonte er die Bedeutung von Transparenz für die Durchsetzbarkeit von Rechten.
Prof. Dr. Katharina de la Durantaye (Humboldt Universität Berlin) mahnte an, dass die EU nicht nur defensiv agieren, sondern auch einen innovationsfreundlichen Standort für KI-Unternehmen schaffen sollte. Sie forderte ein differenzierteres Bild in der öffentlichen Debatte und sah vielversprechende Ansätze bei der Regulierung des Outputs.
Dr. Christina Oelke (VAUNET) verwies darauf, dass das Urheberrecht und die auf seine Durchsetzung dringenden Rechteinhaber:innen kein Hemmnis für Innovationen „Made in Europe“ seien – und auch dafür nicht als Sündenbock herhalten dürften. Vielmehr fehle es schon seit Jahrzehnten an relevanten Finanzierungsmechanismen, die auch nur im Ansatz mit dem Silicon Valley mithalten könnten. Weiterhin sprach sie sich gegen eine pauschale Vergütung für Rechteinhaber:innen aus und verwies auf die Notwendigkeit von Lizensierung.
Sebastian Deubelli (Property RA GmbH) betonte die Notwendigkeit, die Grundgedanken des Urheberrechts auch im KI-Zeitalter aufrechtzuerhalten und schlug vor, kollektiv am Input anzusetzen. Zudem wies er auf das Potenzial synthetischer Informationen für das KI-Training hin.
Dr. Ole Jani griff den Gedanken auf, dass die Rechteinhaber:innen am Wert beteiligt werden sollten, im Sinne des „Gesetzes“ von Saat und Ernte: „Der, der die Saat ausbringt, soll auch die Ernte einbringen.“
Anschließend erörterte Rechtsanwalt Dr. Gerd Hansen (Partner fieldfisher) in seinem Vortrag die Veränderungen und Perspektiven in der Filmproduktion in Zeiten generativer KI.
Der Konferenztag machte deutlich: Es braucht faire Rahmenbedingungen, einen funktionierenden Wettbewerb und ein starkes Enforcement der Regulierer:innen, um im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb, Innovation und Schutz kreativer Wertschöpfungsketten von der Frage „AI eats content?“ über „AI needs content!” zur Vision „AI boosts content!” zu kommen. Genug Diskussionsstoff für 2025!