KI – Gamechanger für die Medienbranche?

Im August 2024 postete Donald Trump, damals noch US-Präsidentschaftskandidat, mehrere Bilder, die suggerierten, Taylor Swift und ihre Fans würden ihn im Wahlkampf unterstützen. Nur eines von vielen Beispielen rund um die US-Wahlen, die erneut gezeigt haben, wie die massive Verbreitung von KI-generierten Inhalten und gezielte Informationssteuerung in den sozialen Medien die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen – und so den demokratischen Diskurs gefährden können.

Im März 2023 ging ein Foto viral, auf dem Papst Franziskus in einer hippen weißen Daunenjacke mit päpstlichem Kruzifix zu sehen war – ein Fake. Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wurde in gefälschten Werbevideos für dubiose Investment-Plattformen dargestellt. Wie auch schon der ZDF-Moderator Christian Sievers, der in einem Video-Clip in der Nachrichtensendung für eine Cybertrading-Plattform wirbt, mit der Nutzer:innen angeblich mit kleinen Investitionen sehr viel Geld verdienen können.

KI-generierte Desinformation und Deep Fakes sind schon lange nicht mehr nur Buzzwords, sondern alltäglich in der Online-Welt. Ein Gamechanger für die journalistisch-redaktionelle Berichterstattung. Um solche falschen Narrative aufzudecken und das Vertrauen in etablierte Medien zu stärken, launchen die Medienhäuser neue Aufklärungsformate wie »ntv Faktenzeichen« und setzen Verifizierungsteams ein, die rund um die Uhr nutzergenerierte Inhalte überprüfen, um Fakes zu erkennen – oft mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Bringt KI also nur Herausforderungen mit sich?

Ein Gamechanger für das Erlebnis von AV-Inhalten

Ein genauer Blick in die Maschinenräume der Medienhäuser, wie sie selbst KI schon heute konkret einsetzen, zeigt: KI bringt vielfältige Veränderungen und Potenziale für Unternehmen, das Erlebnis der Menschen beim Konsum von AV-Medien zu verbessern, die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Effizienzen zu steigern: Von der Analyse großer Datenmengen, der Erstellung von Untertiteln oder automatisierten Live-Übersetzungen, bis hin zu Text-to-Speech-Anwendungen für bessere Barrierefreiheit oder bei Routineaufgaben in der Entwicklung.

Medienkonzerne wie ProSiebenSat.1 haben bereits seit vielen Jahren ein AI-Products-Team, das hauseigene KI-Lösungen entwickelt, um auf individuelle Anforderungen von Teams innerhalb des Unternehmens eingehen zu können. Im hauseigenen Digital Newsroom und im Buzzroom ist KI bereits integraler Bestandteil des Arbeitsalltags – um Daten zu analysieren, Trends zu erkennen oder strategische Entscheidungen zu unterstützen. Pionierarbeit in der Radiowelt leistete der Sender bigFM (Audiotainment Südwest), der mit seinem KI-Radio »bigGPT« das erste vollautomatisierte KI-Programm mit synthetischer Moderatorin launchte.

Auch UPLINK Digital und das Medienzentrum Berlin haben ein eigenes KI-Tool entwickelt, welches es Radiosendern ermöglicht, Programmelemente durch Voice Cloning zu bereichern. RTL synthetisiert für einen Show Case Stimmen von Moderator:innen, um Texte mittels KI in natürlich klingende Sprache umzuwandeln. Sprecher:innen behalten dabei die Kontrolle über ihre geklonten Stimmen und entscheiden, welche Inhalte ausgestrahlt werden. Dadurch sind journalistische und ethische Standards gesichert.

Die vertrauten Stimmen verbessern zudem das Erlebnis der Zuhörer:innen, da sie eine stärkere Bindung zum Sender aufbauen können. Gleichzeitig entlastet KI die Moderator:innen, indem die Technologie repetitive Aufgaben übernimmt, wodurch sie sich auf kreativere Tätigkeiten konzentrieren können. Zudem können so die Stimmen von Moderator:innen auch in Randzeiten präsent sein, was die Kontinuität des Programms erhöht.

Ein Gamechanger für die Personalisierung

Mit KI werden außerdem automatisiert personalisierbare (Audio-) Nachrichten erstellt. RADIO FFH personalisiert sein Live-Radio-Programm und verbreitet unter anderem verschiedene Streams mit unterschiedlichen regionalen Informationen aus sechs Regionalstudios in Hessen. Der Radiosender hat zudem eine Cloud-Software entwickelt, die es mit geringem Aufwand ermöglicht, mehrere, personalisierbare Radioprogramme parallel zu produzieren. Neben dem Austauschen von Musiktiteln gehört auch ein Playout-Modul mit automatischer Musikplanung sowie ein Radio-Empfehlungssystem dazu. Auch hier können Radioprogramme mit KI-Stimmen erstellt werden.

Dabei geht die Analyse der individuellen Vorlieben von Nutzer:innen weit über eine simple Genreerkennung hinaus. Es lassen sich detaillierte Einblicke in die Sehgewohnheiten von Zuschauer:innen gewinnen – beispielswese bei der Auswertung häufig wiederholter Szenen. Diese dienen als Indikator für besonders beliebte Inhalte, auf deren Basis Videoplattformen und Streaming-Dienste ihren Nutzer:innen maßgeschneiderte Empfehlungen präsentieren können, die präzise auf deren individuelle Interessen und Vorlieben abgestimmt sind. Die technische Grundlage für diesen fortschrittlichen Ansatz bildet in der Regel eine semantische Videoanalyse, bei der Inhalt und Kontext von Videomaterial auf einer tieferen Ebene verstanden und kategorisiert wird.

Ein Gamechanger für Rechts(un)sicherheit?

Mit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 wurde erstmals ein generatives KI-Tool für jede und jeden zugänglich gemacht. Die Basis ist ein Large Language Model, ein Sprachenmodell, bei dem es sich im Kern um künstliche neuronale Netze handelt, die im Prinzip von der Funktionsweise biologischer Gehirne inspiriert sind. Doch was passiert, wenn urheberrechtlich geschützte Werke ohne Genehmigung zum Training solcher generativer KI-Modelle verwendet werden und die Quellen in den Ergebnissen nicht mehr erkennbar sind? Oder Stimmen und Gesichter ohne Erlaubnis der Personen zweckentfremdet werden, wie im Fall von Christian Sievers oder Taylor Swift? Teil der breiten Diskussionen über die Regulierung von generativer KI auf europäischer und internationaler Ebene ist daher auch die Frage nach einer Kennzeichnungspflicht.

RTL Deutschland hat mit der Gründung des »KI-Circle« einen innovativen Ansatz gewählt, um die Potenziale von KI-Technologien bereichs- und abteilungsübergreifend zu erforschen und zu nutzen. Ähnlich geht ProSiebenSat.1 mit seinem »AI-Playground« vor, der eine sichere Testumgebung für KI-Anwendungen bietet. Diese Initiativen verdeutlichen, wie Medienunternehmen versuchen, die Vorteile von KI zu nutzen, unter Beachtung geltenden Rechts, während sie gleichzeitig die Qualität und Integrität ihrer Inhalte wahren.

In Konferenzen, Panels und Workshops unterstützt und fördert der VAUNET dabei den branchenübergreifenden Dialog zu Best Practices und Fortschritt beim Einsatz von KI – z. B. mit dem »KI-Lab«, der Workshop-Reihe »KI in den Medien« oder der KI-Konferenz »AI eats Content?« in Kooperation mit Bertelsmann. Auf politischer Ebene setzt sich der Verband für den Schutz von Urheber- und Leistungsschutzrechten, den fairen Zugang zu KI-Technologien und den Schutz der Rechte von Content-Providern ein.

Denn Medien (und Kultur) spielen eine entscheidende Rolle für die konstruktive Verankerung technologischen Fortschritts in der Gesellschaft – und so auch dabei, Künstliche Intelligenz zum Gamechanger zu machen.

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