Big Tech und Medienvielfalt: „Es geht um nichts weniger als unsere Demokratie“ – Klare Worte beim VAUNET-Panel „Vielfalt statt Monokultur: Welche Regeln braucht der Medienmarkt“ auf der ANGA COM

Klare Worte beim VAUNET-Panel zur Big-Tech-Regulierung auf der ANGA CM in Köln mit NRW-Medienminister Nathanael Liminski, dem crossmedialen Programmdirektor des WDR Jörg Schönenborn, der Medienwissenschaftlerin und Journalistik-Expertin Prof. Dr. Marlies Prinzing, dem Chief Financial Officer der Social-Media-Plattform Mastodon Felix Hlatky und dem VAUNET-Vorstandsvorsitzenden und Chief Corporate Affairs Officer Claus Grewenig, unter der Moderation der Medienjournalistin Juliane Paperlein.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die aktuellen Entwicklungen und Kräfteverhältnisse mit der massiven Dominanz bei den globalen Big-Tech-Plattform eine Gefahr für Medienvielfalt und Demokratie darstellen. Die Abhängigkeit bei der Auffindbarkeit von Medieninhalten ist enorm – und im Zuge des Aufstiegs von KI-Suchmaschinen scheint beinahe ein Verschwinden zu drohen. Von der alten Lösung des „Must Carry“ müsse es daher hingehen zum „Must be found“, so Schönenborn.

Gleichzeitig führe die Aufmerksamkeitsökonomie der Big-Tech-Plattformen zur Hervorhebung und damit Bevorzugung extremer Inhalte, wie Hlatky von Mastodon erläuterte. Damit gehe nicht nur eine Verzerrung des Diskurses und ein Verlust von Realität im digitalen Raum, sondern auch ein Kontrollverlust der Nutzer:innen einher, die nicht mehr wüssten, warum ihnen bestimmte Inhalte angezeigt werden. „Die Big-Tech-Plattformen sind einfach zu groß geworden“, kleinere Plattformen würden die Realität deutlich besser widerspiegeln.

VAUNET-Panel „Vielfalt statt Monokultur: Welche Regeln braucht der Medienmarkt“
© Robin Teller I Staatskanzlei NRW

Für diese Entwicklung fand Medienminister Liminski klare Worte: Wenn durch die spezifischen Plattformmechanismen Realität verzerrt werde, dann sei das keine Verteidigung freier Meinungsäußerung, sondern ein Angriff darauf – und das Vorgehen dagegen könne auch nicht als Maulkorb verstanden werden. Mit Blick auf die Plattformregulierung bedeute das: Werden Selbstverpflichtungen nicht mehr eingehalten oder sogar aktiv widerrufen, müsse der Gesetzgeber auf den Plan treten – etwa im Bereich der Haftungsregeln. Denn, so Liminski: „Es geht um nichts weniger als unsere Demokratie.“

Die politisch Verantwortlichen in Deutschland und Europa beobachten derzeit sehr genau, wie die neuen, insbesondere auf der EU-Ebene geschaffenen Plattformregeln funktionierten, und man müsse bei Bedarf dann konsequent nachschärfen. Ein Hebel seien dabei verbindliche Regeln für die Auffindbarkeit von Medieninhalten.

Zudem hat der neue Kulturstaatsminister Dr. Wolfram Weimer kurz nach Amtsantritt eine Abgabe für Big-Tech-Plattformen angekündigt. Die Zielsetzung, die globalen Player stärker in ihren Zielmärkten in die Verantwortung zu nehmen, wurde auch von den Medienvertretern begrüßt.

Ein weiterer wichtiger Hebel, so Grewenig, sei eine stärkere Haftung für die auf Big-Tech-Plattformen veröffentlichte Inhalte, die bei Medien seit jeher selbstverständlich seien. Nach dem Medienstaatsvertrag von 2021 müsse nun auch und gerade hier beim anstehenden, neuen „digitalen Staatsvertrag“ die „zweite Stufe“ gezündet werden.

Auf die Frage, ob das Anziehen der Daumenschrauben gegenüber Big Tech nicht negative Gegenreaktionen, beispielsweise aus den USA, auslösen könne, plädierte Liminski für mehr Selbstbewusstsein Europas, das mit 450 Millionen Nutzer:innen ein sehr attraktiver Markt sei. Dabei gelte es, möglichst schnell Allianzen in Europa zu schmieden, um den großen Playern mit dem entsprechenden Gegengewicht begegnen zu können.

Und schließlich führe kein Weg daran vorbei, die einzigartige Vielfalt aus privaten und öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland langfristig zu sichern. „Das ist wahrscheinlich der größte Dienst an der Demokratie“, so der Medienminister.

„Dafür ist eine tragfähige Refinanzierung das A&O, gerade für private Audio- und audiovisuelle Medien wie auch für die Presse“, so VAUNET-Vorstandsvorsitzender Grewenig und erhielt dafür deutliche Zustimmung von Liminski: Medienvielfalt bedeute auch, dass es starke private Medien gebe und diesen die Refinanzierung ihrer Inhalte ermöglicht werden müsse, was sich auch im Koalitionsvertrag wiederfinde.

Zwischen VAUNET und Minister Liminski herrschte Übereinstimmung, dass die Refinanzierung gefördert und nicht durch schädliche Regulierung, wie Werbeverbote für legale Produkte, gefährdet werden dürfe. Vor diesem Hintergrund seien auch die Pläne der neuen Bundesregierung zu Bürokatieabbau und starken Impulsen zur Ankurbelung der Wirtschaft vielversprechend, so Grewenig.

Notwendig sei aber ebenso die Ermöglichung von Kooperationen, auch zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien. Grewenig betonte, dass es schon bei rund 70 Prozent der Grundsatzthemen mit dem ÖRR Einigkeit und klare gemeinsame Linien gebe, auch wenn man beispielsweise bei der „kommerziellen Kante“, wie Sportrechten oder der Kommerzialisierung und Regionalisierung des öffentlich-rechtlichen Hörfunks, unterschiedliche Positionen vertrete.

Kooperationen gebe es dabei über alle Themen hinweg – diese zu stärken sei elementar, da man ansonsten im Wettbewerb mit den Big-Tech-Plattformen einen schweren Stand habe. Jörg Schönenborn konnte sich insbesondere Kooperationen im technischen Bereich gut vorstellen, die medienpolitisch unterstützt werde.

Als besonders wichtigen Punkt zur Sicherung von Meinungs- und Medienvielfalt war für alle Teilnehmenden die Kompetenz der Nutzer:innen. Zipperling sah dabei vor allem Potenziale darin, dass die Medien ihre Arbeit noch stärker erklären: Wie haben wir diesen Beitrag entwickelt, wie funktioniert eigentlich die Aufmerksamkeitsökonomie der Plattformen? Dies sei vielversprechender und wahrscheinlich schneller als über den langen Weg der Medienbildung.

Grewenig verwies auf zahlreiche bestehende Initiativen zur Förderung von Medienkompetenz gerade junger Menschen, wie „UseTheNews“, sprach aber auch die Verantwortung der Unternehmen an, die über eine verantwortungsvolle Allokation von Werbemitteln ebenfalls einen Beitrag zur Stärkung zuverlässiger Medieninhalte leisten könnten. Diese Verantwortung bestehe entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Hlatky mahnte, beim Thema Medien- und Meinungsvielfalt auch Social Media mitzudenken, dies sei in den vergangenen Jahren häufig vernachlässigt worden. Zur Medienvielfalt gehörten auch soziale Medien, sie lediglich als Verbreitungsweg für eigene Inhalte zu begreifen, greife zu kurz.

Am Ende sahen die Panelist:innen jedoch Anlass zum Optimismus. So steige seit einiger Zeit wieder das Vertrauen in die klassischen Medien in Deutschland. Und dies, so Schönenborn, sei mittlerweile doppelt so hoch wie in den USA. Und damit dieses Vertrauen weiter steigt, brauchen wir Medienvielfalt, war sich Minister Liminski sicher. Ein System mit nur wenigen Medien biete mehr Möglichkeiten, einzelne Medien zu verhetzen und damit den pluralistischen Diskurs einzuschränken. Und bei vielen Medien und einem gesunden Wettbewerb zwischen ihnen falle es zudem leichter, Falschinformationen zu entdecken.

Artikel teilen

Seite Drucken

Ansprechpartner:in
Dr. Holger Münch

Leiter Kommunikation

Tel. 0049 (0)30 39 88 0 133

Lesen Sie jetzt
Datensouveränität
Datenbasierte Online-Werbung: Gerichtsurteil zur Rechtmäßigkeit des TC-Frameworks
Das belgische Marktgericht hat das im Bereich der Online-Werbung weitverbreitete Transparency and Consent Framework (TCF) des Branchenverbands IAB Europe in der Version 2.1 für nicht DSGVO-konform erklärt.
Veranstaltung
Zwischen Vision und Wirklichkeit: Wie KI den Medienalltag revolutioniert – VAUNET-Panel bei der ANGA COM 2025
12 Monate in Sachen Künstlicher Intelligenz? Eine halbe Ewigkeit! Darin waren sich die Teilnehmenden des VAUNET-Panels auf der ANGA COM einig. Aber was leistet KI in der Sender-Praxis konkret, welche Grenzen haben sich herauskristallisiert und was kommt als nächstes?
Verband
VAUNET begrüßt Vorstoß des Staatsministers für Kultur und Medien zum Vorgehen gegen Big Tech-Plattformen - „Schnelles Zeichen für konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags zugunsten von Wettbewerb und Medienvielfalt“
30.05.25 - Der VAUNET begrüßt die Ankündigung des Staatsministers für Kultur und Medien, Dr. Wolfram Weimer, im Wege einer „Plattformabgabe“ für die globalen Gatekeeper-Plattformen, die Medieninhalte nutzen, Wettbewerb und Medienvielfalt zu stärken.
Mehr Laden
Consent-Management-Plattform von Real Cookie Banner

VAU+

Diese Seite ist exklusiv für
unsere Mitglieder

Bitte loggen Sie sich ein oder erstellen Sie ein Nutzerkonto.